Hallo Sonnenschein
In den letzten Tagen war ich sehr fleissig. Schulterklopf. Wobei, nein, eigentlich lieber doch nicht, schliesslich wurde ich anständig erzogen und Eigenlob stinkt ja bekanntlich.
Mein Büro gleicht einem Elektronikshop bei Ausverkauf. Computer, zweiter Bildschirm, Laptop, Kamera, Speicherkarten, und so weiter. Anders ausgedrückt: Die Schauspielerei besteht (gefühlt) aus 20 % Spielen und 80 % Büroarbeit.
Kleines Beispiel gefällig? Der Bewerbungsprozess.
Moderne Zeiten sind angebrochen und auch in unserem Beruf wird viel digitalisiert. So wird ein klassisches Casting oftmals durch ein sogenanntes E-Casting ersetzt. Dabei filmt sich der Schauspieler/die Schauspielerin selber beim Spielen einer vorgegebenen Szene oder Situation und schickt dem Caster oder der Casterin das fertige Filmli zur Begutachtung und Weiterleitung an den Kunden.
Ich hatte also die Aufgabe, ein solches E-Casting einzusenden. Letztendlich ist mir das auch recht gut gelungen und ich war mit dem Ergebnis zufrieden (den Job habe ich trotzdem nicht erhalten, aber wer zählt schon Niederlagen – oder Einkommen).
Viel interessanter war aber der Entstehungsprozess, den ich gerne anhand der vielen "Vorteile" des E-Castings erläutere.
"E-Castings finden in vertrauter Umgebung statt."
Abgesehen von den vielen vertrauten Ablenkungsmöglichkeiten rundherum und dem dadurch verzögerten Start des "Castings", muss ich beim Positionieren der Kamera und des benötigten Stuhles also nur noch darauf achten, dass nicht zu viel von meiner Wohnung (die ich doch gerne privat halte) zu sehen sein wird. Beste Voraussetzungen für ein entspanntes und konzentriertes Arbeiten.
"Der Schauspieler/die Schauspielerin dreht die Szene mit Freunden. So fällt die Nervosität weg."
Vermutlich kennt jeder Schauspieler/jede Schauspielerin das Phänomen, dass die Nervosität sich so lange in Grenzen hält, bis das Publikum mehrheitlich aus Bekannten besteht. Je näher einem das Publikum steht, desto grösser die Nervosität. Also wird das Video im Alleingang gedreht. Ich musste auch nur zweimal wieder von vorne beginnen, weil die Kamera von der Tischkante fiel oder auf dem Kissen so nach vorne kippte, dass später zum Klang meiner Stimme nur Boden zu sehen war.
"Für das E-Casting ist keine besondere Kamera vonnöten, Handyqualität reicht aus."
Das ist ja toll! Aber kann ich tatsächlich davon ausgehen, dass mir keinerlei Nachteile entstehen, wenn meine Konkurrentin ein Video von besserer Qualität einreicht? Und gilt dieser Satz auch für diejenigen unter uns, welche nicht das neuste Gerät der Firma mit der Frucht besitzen? Ich für meinen Teil habe meine Kamera benutzt und mehrere Takes gedreht. Anschliessend habe ich das Material am Computer ausgewertet, nochmals ein paar Aufnahmen gedreht, mich letztendlich doch für Version 1 entschieden, gemerkt, dass ich den Papierkorb wohl schon geleert hatte, Version 2 wiederhergestellt und die Szene durch einen mit Sicherheit höchst professionellen Schnitt aufgewertet.
"Der Zeitaufwand für ein E-Casting ist geringer als für klassische Castings."
Nehmen wir an, das klassische Casting hätte um 6 Uhr in der Früh in St. Antönien (kann – solange die Kernaussage noch lesbar ist – durch jede andere beliebige Ortschaft ersetzt werden) stattgefunden und man rechnet die benötigte Übernachtung mit ein – ja, die Zeitersparnis ist immens.
Herzlich,
ani.actress
Toller Einblick in Dein tägliches Brot, wie war das mit dem harten Brot?
Apropos gute Kamera, egal mit welcher Hardware, mit oder ohne Birne, oder war es ein Apfel :-). Du hast doch zumindest den Vorteil eine ausgewiesenen Mann hinter der Kamera zu haben. Ist der nicht hilfreich?
War das ein wenig ironisch gemeint, so ganz am Schluss? Ich war noch nie an einem Casting, aber ich würde lieber persönlich vor Ort sein, wenn ich die Wahl hätte! Aber vielleicht ändert die Erfahrung ja alles. Auch bei früheren "normalen" Bewerbungen war ich froh eingeladen zu werden und mich persönlich präsentieren zu können. Es kann dann direkt vieles erklärt und in die richtige Richtung geleitet werden. Eigenlob stinkt nicht immer, es kommt darauf an, wie es gezeigt oder ausgesprochen wird. Ausserdem tut es ja immer gut, etwas richtig erledigt zu haben! :-) :-) Viel Glück bei allen Castings und viele schöne Rollen, wie zum Beispiel Meindls Wunderwaffe!
Schlussfrage: Hasst du Castings wirklich? ;-) ;-)