Hallo Sonnenschein
Der Araberwallach und ich, wir verstehen uns gut. Doch, wirklich! Meistens jedenfalls. Beim Putzen hampelt er gerne etwas rum. Er ist schnell ungeduldig und möchte viel lieber direkt losgehen, als ewiges Gebürste über sich ergehen zu lassen. Eine Teddybär-Seite habe ich bisher noch nicht an ihm entdeckt. So dreht er sich mal so, dass er mir den Weg zur Putzkiste komplett versperrt, mal bewegt er sich schwungvoll auf mich zu und reagiert wenig verständnisvoll, wenn ich ihm erkläre, dass ich hier stehe und gerne einen gewissen Raum um mich herum als meine Zone definieren würde.
Naja, er ist 26 Jahre lang ohne mich auf diesem Planeten klargekommen und umgekehrt auch, da müssen wir uns wohl erst noch ein wenig aufeinander einfuchsen (oder einschimmeln). Zudem bin ich ein wenig aus der Übung, im letzten Jahr habe ich praktisch keine neuen Kontakte geknüpft. Vielleicht ist meine Kommunikationsfähigkeit ein wenig eingerostet. Ich habe für den Wallach (also eigentlich für mich, aber du weisst, wie ich das meine) ein Knotenhalfter besorgt. Heute gehen wir nämlich spazieren und ich habe sehr positive Erfahrungen in der Bodenarbeit nach Parelli gemacht. Ich kenne mich mit den Hilfsmitteln aus und erhoffe mir einen ganz entspannten und gemütlichen Nachmittag.
Erst handle ich nach Regelbuch und streife mit meinem Stick (dient als Verlängerung des Armes und kann so Richtungen anzeigen, Barrieren schaffen und Stellen erreichen, die ich sonst nicht ohne Drehung meines Körpers erreichen könnte) über den Pferdekörper. Der Araber goutiert das mit einem fragenden Blick und einem ungeduldigen Stampfen mit dem Huf: "Können wir jetzt endlich los, oder willst du morgen noch hier stehen und komische Dinge tun?" Ich positioniere mich wohlüberlegt auf seiner rechten Seite. So bedeutet die erste Rechtskurve eine Wendung zu mir hin, was einfacher auszuführen ist als eine Wendung von mir weg. Später wird sich herausstellen, dass das Pferd sich willig in alle Richtungen bewegen lässt und vom Boden aus genauso leicht zu führen ist, wie vom Sattel. Zunächst stelle ich aber fest, dass der Wallach mich lieber zu seiner Linken hätte und wir führen eine erste kurze Diskussion noch bevor wir den Hof verlassen haben.
Am langen Seil trottet das Tier friedlich neben mir her und erinnert mich auch gleich bei der ersten Möglichkeit daran, dass unsere Abmachung "während dem Ausritt wird nicht gefressen" bisher nicht für Spaziergänge getroffen wurde. Ich reagiere nicht schnell genug, er schaut mich halb unschuldig, halb verschmitzt an und aus seinen Mundwinkeln hängen Grashalme. Also verbringe ich die nächste Viertelstunde damit, meinen Standpunkt immer wieder deutlich zu machen und zu erklären, dass es sich beim ersten Versuch um eine absolute Ausnahme handelte und ich die Regel gerne auch beim Spazieren strikt anwenden möchte. Schliesslich willigt er ein, ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob er mich wirklich ernst nimmt – der nächste Spaziergang wird Klarheit bringen ;-).
Die Hilfengebung über Strick und Knotenhalfter funktioniert einwandfrei und wir zotteln gelöst durch den Wald. Immer wieder beteuern Spaziergänger, wie schön das Pferd doch sei. Wie schön ich bin sagt niemand... Dabei trage ich meine neue Reithose und habe auch die Haare gemacht, der Wallach hingegen ist mit braunen Flecken übersät, die ich beim besten Willen ohne Wasser und eine gehörige Portion Shampoo nicht aus seinem weissen Fell kriege. Trotzdem muss ich eigentlich zustimmen. Er ist total schön und der Moment könnte besser nicht sein.
Auf dem Heimweg wird sein flotter Schritt nochmals schneller (wer sich wessen Tempo anzupassen hat, haben wir noch nicht endgültig ausdiskutiert) und kurz vor dem kleinen Stück Wiese, auf dem ich ihn grasen lassen wollte, fühlen sich drei Spaziergänger wohl so gejagt, dass sie stehenbleiben und uns vorbeilassen. Ich wende mich zur Wiese hin, was der Wallach als Unaufmerksamkeit missinterpretiert und seine Chance sofort nutzt, um die Nase tief ins Gras zu tauchen. Er dreht sich dabei so, dass er den kompletten Weg versperrt und die drei Spaziergänger erneut stehenbleiben müssen. Entsprechend schnell möchte ich ganz auf die Wiese und beginne laienhaft das Wer-ist-stärker-Spiel (ich ziehe am Seil) zu spielen. Du kannst dir denken, wer gewinnt. Ich überwinde die Peinlichkeit und konzentriere mich wieder auf eine ordentliche Kommunikation mit dem Wallach. Im Nu ist der Weg frei und er darf für 20-Minuten grasen. Diese Zeit nutzt er, um pausenlos zu schlingen, ich mache mir fast schon ein bisschen Sorgen, dass er nicht richtig kauen und eine Kolik verursachen könnte.
Danach geht es zurück zum Stall. Als wir nochmals kurz stehenbleiben, um eine Streicheleinheit eines jungen Mädchens abzuholen, nutzt mich der Araberwallach ungefragt als Kratzbaum. Es ist lediglich meiner Standhaftigkeit zu verdanken, dass ich nicht in hohem Bogen im Busch lande. Die Mutter des Mädchens ist von der Lebhaftigkeit des Pferdes eingeschüchtert und so wird dann doch nichts mit Streicheln.
Vor seiner Box steht der Wallach unendlich brav und lässt mich in aller Ruhe die Hufe auskratzen. Er bettelt auch nur zweimal ganz vehement nach einer Leckerei. Ich streichle nochmals seinen Kopf und verabschiede mich für heute. Im Bus freue ich mich bereits wieder auf unseren nächsten Ausflug. Ich glaube, wir werden bald richtig dicke Freunde.
Herzlich,
ani.actress
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