Statisteneinsatz Teil 2

Hallo Sonnenschein

Um Viertel vor Zwölf treffe ich mit meinem Kleiderköfferchen bei der Fabrikhalle ein. Ich habe Glück und darf direkt zum Styling. Genauestens wird jedes einzelne meiner mitgebrachten Kleidungsstücke begutachtet. "Einen Blazer hast du nicht?", werde ich gefragt.

Doch, klar, aber nicht dabei. Stand schliesslich nicht in der Mail, das kann die Stylistin allerdings nicht wissen. Ich ziehe mich zwei Mal um und werde schliesslich mit einem Rollkragenpullover von K&N ausgestattet, da sich unter meinen Kleidern nichts Passendes finden liess.

Alternativ kommt es auch vor, dass die Stylistin mich anschaut und sagt: "Wunderbar, das passt so. Bleib doch gerade in diesem Outfit." In diesem Fall habe ich dann den Kleiderkoffer umsonst mitgebracht, denn er wird gar nicht erst geöffnet. (Etwas zwischen diesen beiden Sezenarien ist höchst selten.)

Nach und nach treffen die anderen Statisten ein. Dabei handelt es sich immer um dieselbe Konstellation:

Typ 1: Die Schöne. Sie ist die ganze Zeit mit ihrem Aussehen beschäftigt und hofft darauf, entdeckt zu werden. Später am Set lokalisiert sie sofort die Kamera und stellt sich direkt zwischen Kamera und Hauptdarsteller, damit sie auf jeden Fall prominent im Bild ist.

Typ 2: Der Erfahrene. Er kennt die meisten Statisten bereits von früheren Drehs und weiss über alle aktuellen und vergangenen Produktionen der Schweiz Bescheid. Zudem teilt er gerne seine Erfahrungen und informiert alle über gewohnte Abläufe am Set.

Typ 3: Der Wichtigtuer. Er war an mindestens genauso vielen Sets wie der Erfahrene und streitet sich auch gerne mit ihm darüber, wer aus mehr Filmen rausgeschnitten wurde und wer die schwierigsten Aufgaben zu meistern hatte. Er zeigt allen die Videos seiner vergangenen Einsätze und gibt vor, sich an Crewmitglieder zu erinnern, nur um sie anzusprechen und alle seine Dreherfahrungen aufzählen zu können.

Typ 4: Der Alte. Immer derselbe. Er wird wegen seiner grauen Haare gebucht.

Typ 5: Der Neue. Er ist das erste Mal an einem Set. Für ihn ist alles wahnsinnig aufregend, die Technik faszinierend. Er fragt die anderen Statisten viel (die Crew zu fragen traut er sich noch nicht).

Typ 6: Die Stille. In diesem Fall ich. Sie hat ein Buch dabei und beteiligt sich nur selten an Gesprächen.

Der Aufenthaltsraum für die Statisten ist weit ab vom Set. Ein kühler Raum, drei Stühle (zwei werden sofort vom Erfahrenen und dem Wichtigtuer in Beschlag genommen, den dritten überlassen wir dem Alten) und ein kleines bis sehr kleines Catering.

Um 14 Uhr betritt eine junge Frau mit leicht verwuschelten Haaren den Raum. Sie heisst Nadine Römer und ist Produktionsassistentin. "Danke euch allen, dass ihr hier seid. Ich bin heute eure Ansprechperson. Wenn also irgendetwas ist, meldet euch direkt bei mir", erklärt sie uns. Dann erwähnt sie für den Neuen die Set-Regeln:

1. Handy ist lautlos und bleibt in diesem Raum, es werden keine Fotos gemacht.

2. Am Set herrscht absolute Ruhe, wir warten still bis wir platziert werden.

3. Weder der Regisseur noch die Hauptdarsteller werden direkt angesprochen oder um Autogramme etc. gebeten, wir arbeiten professionell.

"Hier könnt ihr noch die Einsatzvereinbarung* unterschreiben und dann geht es auch schon bald los. Ich freue mich", schliesst sie ihren Monolog.

"Nadine für Pierre", klingt es aus ihrem Funkgerät und ab dann ist die Ansprechperson bis nach dem Dreh unauffindbar.

Die Warterei geht in die nächste Runde. Diesmal ist sie aber wesentlich kürzer, denn bereits um 14.30 Uhr kommt der 2. Regieassistent Nino vorbei. Er ist der erste, der sich bei uns für die Wartezeit entschuldigt (sie sind etwas hinter dem Drehplan), und meint, es werde gerade umgebaut und danach kommt unsere Szene.

Faustregel: Hat sich der 2. Regieassistent an die Statisten gewandt, dauert es noch circa 30 Minuten bis zu deren Einsatz.

Herzlich,

ani.actress

*In der Einsatzvereinbarung steht im Wesentlichen, dass wir alle Bildrechte an die Produktion abgeben und keine monetären Forderungen geltend gemacht werden können.