Statisteneinsatz Teil 3
- atalanta.pferd
- 11. Feb. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Apr. 2020
Hallo Sonnenschein
Heute passt die Faustregel. Um drei werden wir also ans Set gebeten. Die Schöne scannt den Raum, sieht die Kamera sofort und positioniert sich geschickt zwischen Kamera und Hauptdarsteller auf der Sofalehne. Beine sexy überschlagen, Oberkörper lasziv zurückgelehnt. Der Wichtigtuer macht ein Foto.
Mehr oder weniger gekonnt verteilt uns der 2. Regieassistent im Raum. Der Alte bekommt den Sessel, der Erfahrene soll gleich zur Tür reinkommen. Der Neue und ich stellen ein Paar dar und stehen weiter hinten an der Wand. Die Crew macht sich bereit für den ersten Take.
Fasziniert flüstert mir der Neue zu: "Wofür brauchen sie diesen Rauch?" Ebenso leise erkläre ich ihm, dass "Haze" dazu beiträgt, ein weicheres Bild zu zeichnen. "Achtung, wir drehen!" "Kamera?" "Set." "Ton?" "Läuft." "Action!"
Nach drei Wiederholungen werden wir umplatziert. Zu ihrem Entsetzen müssen die Schöne und ich Plätze tauschen. Der Wichtigtuer wird zum Schachpartner des Alten ernannt und der Erfahrene startet ab jetzt bereits drinnen. Der Neue muss kurz das Hemd wechseln ("5 Minuten für Styling"), damit er sich deutlicher von der Wand abhebt.
Da ich nun näher an der Kamera sitze, werde ich nochmals kurz abgepudert ("1 Minute für Make-up") und dann laufen wir wieder. So geht das immer weiter, bis der Hauptdarsteller den Slogan des Möbelherstellers drei Mal zur vollsten Zufriedenheit des Regisseurs von sich gegeben hat. Kurzer Umbau für den Gegenschuss. Eine Viertelstunde später sind wir wieder drehbereit. Die Zeit vergeht jetzt wie im Flug.
Um 17 Uhr heisst es dann: "Wunderbar, ihr seid abgedreht!" Wir erhalten unsere Gagen und dürfen nach Hause gehen.
Aber jetzt mal ehrlich: Warum mache ich diese Statisteneinsätze eigentlich?
– Kohle. Machen wir uns nichts vor, ein kleines Einkommen ist besser als kein Einkommen.
– Kontakte knüpfen. Ab und zu sind ganz nette Statisten oder Crewmitglieder mit am Set und der Nachmittag war geselliger, als alleine zu Hause über Castingmonologen zu brüten und darauf zu warten, dass Menschen mit geregelten Arbeitszeiten Feierabend machen.
– Und hier kommt der einzig wahre und wichtige Grund, der die anderen in den Schatten stellt. Ich liebe es, am Set zu sein. Die Filmatmosphäre ist herrlich und die kurze Zeitspanne zwischen dem "Action" und dem "Und cut" entschädigt für alle Unannehmlichkeiten. Ich bin ein Teil des Projekts (also genau genommen des Hintergrundes). Ist man einmal mit dem "Filmvirus" infiziert, kommt man nicht mehr weg und möchte keinen Tag am Set verpassen. Die Antwort auf das "Warum" ist also ganz einfach die, welche immer gilt für Dinge, die wir gerne machen oder die uns glücklich machen: Weil der Dopaminspiegel steigt.
Wofür mache ich sie ganz sicher nicht?
– Die Warterei kann schon echt nervig sein. Mein bisheriger Rekord liegt bei 9 Stunden. Kein Scherz. Wir wurden für 09:00 Uhr aufgeboten und sahen das Set um 18:00 Uhr zum ersten Mal von Nahem.
– Um Branchenkontakte zu knüpfen und entdeckt zu werden. Das wird nicht passieren. Casting und Statistenbetreuung haben nichts miteinander zu tun und es lässt sich viel leichter arbeiten, wenn man da keine Illusionen hat.
Ich hoffe, dieser beispielhafte Statisteneinsatz war interessant für dich und du konntest einen kleinen Einblick in unsere Branche erhaschen.
Herzlich,
ani.actress
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