Hallo Sonnenschein
Zufällig bin ich heute über ein Stelleninserat gestolpert. Ein Teilsatz ist mir direkt aufgefallen: "Sie sind belastbar." Belastbarkeit als Qualitätsmerkmal. Als Indikator dafür, dass ein Individuum zum geschätzten Mitarbeitenden wird und die Firma weiterbringt. Ein Vergleichskriterium. Mit Belastbarkeit kann man sich rühmen und stolz darauf sein.
Jetzt würde ich von mir selbst behaupten, dass ich in vielen Bereichen ziemlich belastbar bin. Gehen wir also davon aus, sie suchen jemanden wie mich – also jemanden wie mich, der auf Stellensuche ist. Aber will jemand wie ich diese Stelle?
Treiben wir es auf die Spitze: Wir haben jemanden, der allen erdenklichen Belastungen standhält, in "hektischen Zeiten den Überblick behält" und sich über zusätzliche Aufgaben beziehungsweise starke Aufgabenspitzen nicht beklagt. Vielleicht ist er sogar auch bereit, Verantwortung zu übernehmen.* Möchte dieser Mensch einer Arbeit nachgehen, bei der Belastung zur Normalität wird?
Belastung ist eine Voraussetzung und eher Dauerzustand als Ausnahme und dies ist den Inserierenden auch noch bewusst. Denn Fähigkeiten und Talente, die in weniger häufig auftretenden Situationen hilfreich sein könnten, werden nicht bereits im Stelleninserat erwähnt. Ausser, der Job ist mit wirklich wenig Inhalt gefüllt.
Mal ganz abgesehen davon, dass anhaltende Belastung alles andere als gesund ist (zu viel von allem macht uns krank), glaube ich nicht, dass Belastbarkeit als Voraussetzung eine Stelle attraktiv machen – belastbar sein und gerne belastet sein sind ja doch zwei verschiedene Paar Schuhe.
So wurde mir ganz beiläufig klar, dass ich bei einem Stellenwechsel in Zukunft von Anfang an sehr aufmerksam lesen und wahrnehmen werde. Enden möchte ich diesen Artikel mit einem dazu passenden Spruch, den ich kürzlich in den sozialen Medien entdeckte: Arbeitnehmende sollten auch Referenzen einfordern: "Kann ich zunächst mit drei zufriedenen Mitarbeitenden sprechen? Ich melde mich danach (vielleicht) bei Ihnen."
Herzlich,
ani.actress
*Dies scheint einer kurzen Recherche zufolge die heutige Formulierung zu sein.
Voraussetzungen:
Bereitschaft, kurzfristige Einsätze zu übernehmen.
(= Wir haben häufiger Planungsschwierigkeiten.)
Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
(=Wir führen dich nicht genügend in deine Aufgaben ein, aber sollte etwas misslingen,
trägst definitiv du die Schuld.)
Bereitschaft, an Abenden zu arbeiten.
(= Dein Privatleben darf nie über der Arbeit stehen. Und wenn wir ganz ehrlich sind,
lieber mindestens eine Stufe tiefer.)
Etc.
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