Hallo Sonnenschein
Belle heiratet. Zugegeben, spätestens seit ihrer Verlobung ist das absehbar. Natürlich bin ich als beste Freundin in den Planungsprozess eingebunden, bisher allerdings nur als Zuschauerin. Belle schwärmt von der gefundenen Location, erzählt von Fotografen, Essen, Budget und weiteren Planungsschritten. Auch das Kleid ist bereits ausgesucht, anhand von unzähligen Fotos kann ich bestätigen, dass die richtige Wahl getroffen wurde. Sie wird umwerfend aussehen, das Kleid unterstreicht ihre Persönlichkeit perfekt und wird ganz bestimmt auch dem Bräutigam gefallen!
"Wieso bist du eigentlich nicht Trauzeugin?", wundert sich mein Freund eines Abends laut. Keine Ahnung, weil sie eine andere Trauzeugin ausgesucht hat? Ich muss sagen, in solchen Dingen bin ich absolut nicht eifersüchtig. Ich wünsche mir für Belle nur das Allerbeste, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen und sie den perfekten Tag erlebt. Mal abgesehen davon, wie schön ist es doch, so einem Fest als Gast beizuwohnen, ohne für den ganzen Ablauf verantwortlich zu sein? Ich gehe nämlich schwer davon aus, dass ich auf der Gästeliste stehe – wobei ich nicht mal hier sauer wäre, wenn Belle sich für einen kleineren/anderen Kreis entscheiden würde. Schliesslich weiss ich, dass wir uns mögen und beste Freundinnen sind, da brauche ich nach zwanzig Jahren auch keinen Beweis mehr.
An dem Abend, an welchem Belle mir die alles entscheidende Frage doch noch stellen wird, sitze ich gut gelaunt im Zug und lausche dem Hörbuch: "Hauptsache, es knallt!" von Matthias Sachau, gelesen von Simon Gosejohann. Es geht um eine Hochzeit, auf der einfach alles schief zu laufen droht, und fünf Freunde der Braut, die mit allen Mitteln versuchen, den Tag zu retten. "Witzig, Belle heiratet doch auch bald", denke ich noch bei mir. "Gar nicht witzig!", denke ich knappe vier Stunden später, als wir nach dem Abendessen gemütlich am Tisch sitzen, Belle mich gerade ganz offiziell gefragt hat, ob ich als Co-Trauzeugin fungieren möchte, und mir daraufhin als Erstes die Dramen aus dem Hörbuch einfallen. Das sage ich Belle natürlich nicht!
Plötzlich bin ich also mitverantwortlich für den hoffentlich schönsten Tag meiner besten Freundin. Wie aufregend! Wie unheimlich toll! Wie schrecklich überfordernd! Ich bin doch viel zu jung dafür, habe viel zu nie geheiratet, habe keinerlei Erfahrung im Planen irgendeiner Fete und Hilfe, kenne ich meine beste Freundin überhaupt? Klar, für meine eigene Hochzeit, da steht schon ziemlich viel fest, da habe ich Ideen und Vorstellungen und Wünsche. Hier geht es aber (ausnahmsweise mal) nicht um mich, sondern um Belle! Was wünscht sie sich, womit könnte ich ihr eine freudige Überraschung machen und was ist für sie unverzichtbar? Ich beginne leicht zu schwitzen. Belle übergibt mir eine dunkle Teetasse. So eine, die die Sicht auf ein darunterliegendes Bild freigibt, sobald das heisse Getränk die Innenwand der Tasse berührt. "Willst du meine Trauzeugin sein?", steht da neben dem Datum ihrer Hochzeit. Zwei Bilder von uns sind auch noch da. Mist, sie hat (wie immer) wirklich an alles gedacht, wie soll ich dem bloss gerecht werden?
Die zweite Trauzeugin, also die "Haupttrauzeugin" ist Belles Schwester. Sie ist älter als wir, verheiratet und wenn ich ein Organisationstalent bin, dann ist sie das Organisationsobersupergenie. Ob mich das erleichtert oder den Druck noch erhöht, weiss ich noch nicht ... Eines steht jedenfalls fest: Ab sofort bin ich in romantischer Mission unterwegs. Unmögliches-möglich-machen wird zu meinem zweiten Vornamen und sicherstellen, dass Belle, die bescheidene Belle, die immer zuerst an andere und erst danach an sich selber denkt, einen unvergesslich schönen Tag erleben wird, zu meinem einzigen Ziel. Es geht in erster Linie um das Brautpaar, in zweiter Linie um die Gäste und in dritter Linie um alles andere. Ich werde helfen, die Feier des (noch sehr jungen) Jahrtausends zu organisieren. Ich freu mich wie ein kleines Kind! Und immerhin: So schlimm wie in "Hauptsache, es knallt!" kann es gar nicht werden, oder?
Herzlich,
ani.actress
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