Hallo Sonnenschein
Erinnerst du dich an meinen Bericht über das Lager im letzten Sommer? Es steht noch ein Treffen aller Leitenden aus, bei dem wir einen offiziellen Lagerabschluss feiern, uns austauschen, Rückmeldungen besprechen, eigenes Feedback einbringen und die Planung des nächsten Lagers anhand der Verbesserungsvorschläge beginnen. Dieses Treffen soll live und in Farbe im schönen Ort Bad Ragaz stattfinden.
Nun ist dir vielleicht bekannt, dass meine Komfortzone sich über einen relativ kleinen Radius um meine Wohnung, mir sehr vertraute Personen, mein Pflegepferd oder meine (ehemaligen) Wohn- und Arbeitsorte erstreckt, wobei sie sich generell sehr stark auf mein Sofa (gehen wir davon aus, es ist ausgestattet mit einer warmen Decke, einer Tasse Tee und einem Buch) konzentriert. Entsprechend bange schaue ich dem Event entgegen.
Mutig wie ich nun mal bin, sage ich schliesslich doch zu und mache mich kurz nach der Arbeit spätabends auf den Weg. Nach einem wohltuenden Spaziergang durch die klare Nacht treffe ich in der gemeinsamen(?!) Unterkunft ein. Meine Kollegen haben mit dem Abendessen gewartet. Nach dem Essen würde ich am liebsten wieder nach Hause gehen (und lasse das meinen Freund, der sich in dem Moment ebendort aufhält, auch unverzüglich wissen). Die anderen gehen Aktivitäten nach, mit denen ich absolut nichts zu tun haben möchte, während ich schon sehnsüchtig auf das von der Hauptleitung mitgebrachte Gesellschaftsspiel und besorgt auf die Uhr schaue. Endlich entscheiden sich auch die anderen für ein Spiel und der Abend endet besser als gedacht.
Ich bin die Letzte, die sich am Samstag aus dem unteren Teil des Kajütenbettes schält. Ganze zehn Stunden Schlaf - das hätte ich wirklich nicht erwartet. Eine Kollegin ist wohl schon seit über zwei Stunden wach und hat im Wohnzimmer ein wenig Yoga praktiziert und den Tisch gedeckt. Nach einem ausgiebigen Frühstück (bestehend aus den wenigen Zutaten, die wir dahaben) machen wir eine Wanderung, welche uns mit einer atemberaubenden Aussicht über das Rheintal belohnen wird. Sie dauert eine Stunde länger als gedacht und nicht alle sind wettertauglich ausgerüstet. Ungenügende Planung - stresst mich im Normalfall. Tut es aber heute nicht. Stattdessen geniesse ich die Zeit mit den mir trotz allem noch immer beinahe fremden Menschen und wir führen Gespräche, die unter anderen Umständen wohl so nicht möglich wären.
Wir sind unglaublich offen und ehrlich miteinander, geben uns gegenseitig Raum, versuchen zu verstehen und feiern unsere Verschiedenheiten. Der Tag bleibt mir als einer der unbeschwertesten des letzten Jahres in Erinnerung. Abends stösst noch ein weiterer Kollege zu uns. Auch er kommt direkt von der Arbeit. Bevor wir ihn auf den neusten Stand der Dinge bringen und mit dem zweiten offiziellen Teil starten, frage ich ihn, ob sich der Aufwand, für die verbleibenden ca. 20 Stunden noch herzukommen, für ihn überhaupt lohnt. "Für einen schönen Abend mit Freunden lohnt sich jeder Stress", ist seine Antwort. Ich lächle ihm zu.
Gleichermassen aufgetankt, erstaunt darüber, dass ich mich aufgetankt fühle, und froh, dass der ganze Spass jetzt vorbei ist, trete ich am nächsten Tag die Rückreise an. Komfortzone, ich komme!
Herzlich,
ani.actress
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