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Inspirati-Oh-No!

  • Autorenbild: atalanta.pferd
    atalanta.pferd
  • 24. Feb. 2022
  • 3 Min. Lesezeit

Hallo Sonnenschein


Lass deine Ängste dich stark machen ... Klingt gut, oder? Denke ich auch, als ich ein E-Book mit diesem Titel geschenkt bekomme. Ich erhoffe mir davon sogar eine neue Perspektive, einen neuen Blickwinkel auf Ängste, vielleicht die ein oder andere weltbewegende Idee? In diesem Punkt werde ich beim Lesen (des ausgedruckten E-Books versteht sich, ich kann nicht nachvollziehen, wie man ganze Bücher am Bildschirm lesen, geschweige denn auf Geräusch, Duft und Haptik beim Umblättern verzichten kann) enttäuscht. Die Autorin versteht auch nicht mehr oder weniger von Ängsten als vermutlich jedes menschliche Wesen.


Trotzdem ist das Buch ganz gut. Ein ganzheitlicher Ratgeber zur Selbstfürsorge, Reflexion und dem Umgang mit starken Gefühlen. Gespickt mit Übungen, um besser zu sich selbst zu finden, stressige Alltagssituationen hinter sich zu lassen und Minuten in Momente zu verwandeln. Das esoterische Gedankengut ist immer an autobiografische Erlebnisse geknüpft, was das Buch für mich als Leserin erst so richtig spannend macht.


Es folgt das zweitletzte Kapitel. Das Kapitel, in dem Vorschläge zu möglichen Tagesabläufen, Ideen zu Morgen- und Abendroutinen, Empfehlungen und wichtige Grundsätze der anderen Kapitel zusammengefasst festgehalten sind. Spätestens hier wird meinem inneren Perfektionisten klar, dass er nicht gewinnen kann. Du musst wissen, mein Perfektionist ist ein richtiger Streber. Er meint, unser Leben total im Griff zu haben, hat auf den vorherigen Seiten fleissig mitgelesen, alles verstanden und versucht nun, mir zu diktieren, wie was gemacht werden muss (mit Betonung auf muss!).


Ein bisschen Achtsamkeit geht nicht, ein wenig Sport kommt nicht infrage! Wir gehen ab sofort jeden Tag mindestens eine Stunde raus, meditieren zweimal täglich, nutzen Affirmationen usw. usf. Hier haben wir es jetzt allerdings schwarz auf weiss: Der Plan geht nicht auf (mein Perfektionist mag es überhaupt gar nicht gerne, wenn Pläne nicht aufgehen). Um all die durchaus sinnvollen Vorschläge umzusetzen, täglich laufen zu gehen, genügend Zeit mit Freunden zu verbringen, Ruhe zu finden, Tagebuch zu schreiben, an Glaubenssätzen zu arbeiten, Ziele zu setzen und genügend Zeit einzuplanen, ebendiese zu verfolgen, zu lesen, Musik zu hören und natürlich gesundes, selbst gekochtes Essen zu sich zu nehmen, müsste unser Tag aus wesentlich mehr Stunden bestehen, als er es nun mal tut.


Daraus ergeben sich folgende Probleme: Einerseits besteht eine "Ganz-oder-gar-nicht"-Gefahr. Kann sich der Perfektionist nicht durchsetzen, habe ich keine Lust mehr, überhaupt auch nur einen Tipp im Alltag umzusetzen. Bringt ja sowieso nichts, ist doch eh nur Fantasie der Autorin, Wunschdenken und gar nicht umsetzbar. Andererseits führen konkrete Anweisungen zu einem Selbstoptimierungsdruck – was wiederum einen gegenteiligen Effekt hat und eine natürliche Weiterentwicklung meiner Meinung nach eher behindert als begünstigt. Aus Inspiration wird Last, aus gut gemeintem Rat Vorwurf und aus liebevoll gestalteter Alltagsstütze ungeliebtes Aufgabenheft. Geht dir das manchmal auch so?


Im zweitletzten Kapitel dieses Buches bin ich wütend auf mich selbst (Wieso sieht mein Tagesablauf nicht auch so aus?), wütend auf die Autorin (Was denken Sie sich eigentlich, wie viel Zeit so ein Durchschnittsmensch sich nehmen kann? Wir sind nicht alle frei in unserer Zeiteinteilung und einen Haushalt scheinen Sie auch nicht zu haben!), wütend auf das Buch (Ich dachte, du willst etwas über Ängste erzählen, stattdessen werden hier Vorschriften gemacht, wie oft und lange ich zu tanzen habe?) und muss schliesslich einfach nur noch lachen (Da geniesse ich über hundert Seiten eines Buches und nur weil im vorletzten Kapitel Formulierungen stehen, die mir nicht in den Kram passen, zweifle ich am gesamten Werk ... Es ist doch nur ein (wie ich nach wie vor finde ziemlich gutes) Buch!).


Als Nächstes lese ich ein Kinderbuch, danach folgt ein Roman. Abwechslung macht schliesslich das Leben aus und es ist definitiv Zeit für ein wenig leichtere Kost. Stand das nicht auch in dem Buch? Man solle das Leben in Leichtigkeit leben? Vielleicht ist ja doch etwas hängen geblieben ...


Herzlich,

ani.actress


PS. Buch Nr. 401 ist soeben bei mir eingetroffen. Schon bald stelle ich dir neue Bücher in Form eines Top 5-Artikels vor. Ich freu mich!

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