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Autorenbildatalanta.pferd

Interrail

Hallo Sonnenschein


Mein Freund ist für die Planung des Sommerurlaubes (wir haben sechs gemeinsame Tage zum Wegfahren zur Verfügung) zuständig. Ich freue mich auf den Tapetenwechsel und noch mehr, als er ein Ziel der Reise verrät: Edinburgh. Wir haben eine kleine Vorgeschichte im Zusammenhang mit dieser Stadt: Sie war Ausgangspunkt einer Schottlandrundreise vor einigen Jahren. Aufgrund eines gestrichenen Fluges und den dadurch entstandenen Komplikationen waren wir aber nur gerade während ein paar nächtlichen Stunden tatsächlich vor Ort und hatten nicht die Chance, etwas von der Stadt zu sehen.


Anreise

Edinburgh bleibt aber nicht das einzige Ziel der Reise und auch das Verkehrsmittel der Wahl ist ein anderes. Denn mein Freund hat uns Interrail-Pässe gebucht. Eine längere Zugreise bis in den Norden von Grossbritannien und wieder zurück steht also auf dem Programm. Eingeplante Zwischenhalte sind Manchester, Glasgow, Edinburgh (zwei Nächte – nur zur Sicherheit) und London.


Für maximalen Komfort gönnen wir uns die Fahrten in der ersten Klasse. Der TGV bringt uns nach Paris, eine kurze Metrofahrt später ist der Bahnhof gewechselt und wir checken ein für die Fahrt mit dem Eurostar durch den Kanaltunnel. Ich muss zugeben, ich bin fasziniert, wie schnell London allein durch Zugfahrten erreicht ist. Hätte ich einen Goldesel, könnte ich direkt ein paar Wochenenden im Jahr im "nahen" Ausland verbringen – und das mit minimaler Umweltbelastung.


Der Bahnhof St Pancras ist nicht überfüllt und wir finden schnell den Weg nach draussen. Es erwarten uns ein wolkenloser Himmel und sommerlich warme Temperaturen. So kommen wir beim kurzen Fussmarsch zum Bahnhof Euston ordentlich ins Schwitzen. "Wie schön, dürfen wir auch nach Manchester wieder erste Klasse fahren", schiesst es mir durch den Kopf. In der Bahnhofshalle steht eine Traube an Menschen. Reglos, fast lethargisch lehnen sie an ihren Koffern, sitzen auf dem Boden oder starren auf die Bildschirme ihrer Telefone. Wir kämpfen uns zielsicher durch die Menge bis zur Anzeigetafel. Viele Verbindungen sind gestrichen, unter anderem unsere nach Manchester. Auf Nachfrage erfahren wir, dass momentan wegen des Feuers nichts fährt. Uh, brenzlig! Wir können das Feuer/die Schäden nicht genauer lokalisieren und hoffen, dass nichts Schlimmes passiert ist. Auf dem Handy findet mein Freund eine Verbindung ab London King's Cross. Kurz fragen wir uns, warum sich sonst niemand bewegt, sind dann aber doch ganz froh darüber, schliesslich möchten wir gerne unbehelligt weiterreisen.


Also marschieren wir den ganzen Weg zurück und sind erfreut, zeigt die Uhr erst frühen Nachmittag. So können wir die Verspätung gut auffangen. King's Cross liegt wie ausgestorben da. Seit gestern verkehrt hier kein Zug mehr. Grund dafür: die vorhergesagte Hitze. Wie bitte? Genau. London erwartet Höchsttemperaturen und da entscheidet der Zugbetreiber, dass sie nicht fahren werden – leider wurde die Info online nicht angezeigt. Wir sind ein wenig kulturgeschockt und versuchen es ab St Pancras. Hier fahren nur zwei Züge in den Süden, ansonsten fährt auch hier nichts (logisch, ist ja auch warm). Mal sehen, ob das Feuer gelöscht und Euston wieder geöffnet werden konnte.


Die Situation scheint unverändert. Diesmal reihen wir uns in die Schlange vor dem Ticketschalter der Zuggesellschaft und lassen uns nicht mit einem "No trains, because of the fire" abspeisen. Als der Bahnangestellte merkt, dass wir so schnell nicht abzuwimmeln sind, wird er gesprächiger. Er zeigt uns auf seinem Handy ein Foto des Brandes auf offener Strecke. Darauf sind lodernde Flammen zu sehen, der Zeitstempel besagt, die Aufnahme ist erst 20 Minuten alt. Er erklärt uns, dass das Feuer einen Baum auf die Gleise geworfen hat und die Feuerwehr den Brand momentan nicht unter Kontrolle kriegt. Sollten sie demnächst Erfolg haben, muss also "nur" noch ein Baum weggeschafft werden und schon würden sie die Züge wieder fahren lassen. Jetzt haben sie unser vollstes Verständnis. Nutzt nur nichts. Wir fragen nach, ob es Möglichkeiten mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln gäbe. Der Bahnangestellte weiss nichts, die Bahn organisiert hier auch nichts ("Come back tomorrow, or check if we are able to run some trains in two hours, but I don't think so …"), aber er würde es (wenn überhaupt) beim Busterminal Victoria Station (wir hören den Namen schon zum zweiten Mal, da auch die Dame am Bahnhof Kings Cross auf den Bus verwiesen hatte) versuchen. Eventuell könnten wir auch ab St Pancras nach Sheffield fahren – ja, nee, ist klar.


Das zweite Metroticket heute bringt uns zur Busstation. Der Automat zeigt voll gebuchte Busse nach Manchester an. Mein Handy sagt, auch die Flixbusse sind voll. (Nur so zum Spass checke ich auch die Seite einer bekannten Fluggesellschaft. Fliegen würde gehen – es sind noch zwei Plätze in der Business Class für jeweils knapp 600 Pfund verfügbar. Ich lache leise in mich rein.) Wir fragen auch hier bei den Ticketschaltern der verschiedenen Gesellschaften nach. Eine Busverbindung nach Birmingham hat noch zwei Plätze frei (einmal umsteigen, Ankunft um halb eins nachts), Leeds hatte vor zwei Stunden noch 11 freie Plätze, nein, die sind mittlerweile alle besetzt. "Vielleicht nach Liverpool?", frage ich die junge Dame. Als Antwort lacht sie herzlich und erklärt, dass diese Busse alle bereits um 13 Uhr voll waren. Wir bedanken uns und verzichten auf die Birmingham-Tickets. Auf der Suche nach einer letzten Busgesellschaft laufen wir zweimal um die Station und finden schliesslich das Tickethäuschen, welches (zumindest laut Schild an der Tür) bis vor eineinhalb Stunden geöffnet haben musste.


Resigniert fahren wir zurück nach Euston. Wir verstehen jetzt die Passagiere, die (mittlerweile nicht mehr) tatenlos in der Halle sitzen. Es ist bereits Abend und kaum betreten wir den Bahnhof, ertönt die Durchsage, dass heute nichts mehr fährt. Wir rufen in Manchester an und erklären, dass wir es wohl nicht mehr schaffen würden, die Nacht in Anspruch zu nehmen. Ich verkneife mir ein "es ist eben heiss hier"...


Unterkunft

Auf gut Glück klappern wir die umliegenden Hotels ab und fragen an der Rezeption nach einem Zimmer. Ist es möglich, dass andere Reisende vor uns auf dieselbe Idee kamen? Wir driften kurz in die Extreme ab (mein Freund möchte in einem sehr günstigen Inn schlafen und äussert auf meinen Protest hin die Befürchtung, am Bahnhof schlafen zu müssen, ich hingegen zerre ihn in einen Luxusschuppen (wir nutzen den Seiteneingang, um in normalen Strassenklamotten nicht aufzufallen, und schaffen es auch nicht ganz bis zur Rezeption), weil die bestimmt noch Zimmer haben und wir nach diesem Nachmittag sowieso eine in Sorglosigkeit gebettete Nacht verdient haben), danach ändern wir die Taktik.


Mein Freund bucht auf dem Telefon ein Hotel circa 20 Gehminuten entfernt. Der Retter in der Not heisst "Mercure London Bloomsbury Hotel". Eine fantastische Adresse, die uns nach unserer kleinen Odyssee mit einem wunderschönen "Turmzimmer", wie ich es nenne, im obersten Stock mit Blick über die Dächer von London inklusive London Eye und einem sauberen Bad mit grosszügigem Waschbecken (von dem man aus Designgründen nur die hinterste halbe Handbreite einer Ecke verwenden kann, aber das ist auch schon der einzige Kritikpunkt) überrascht. Es muss das schönste Zimmer des Hauses sein.


Auch die weiteren Hotels überzeugen. Mein Freund hat sie im Vorhinein ganz einfach über seinen All-Accor-Live-Limitless-Account gebucht. Nur für die letzte Nacht hat er sich für eine Unterkunft ausserhalb der Accor-Gruppe entschieden.


Besonders hervorheben möchte ich noch das Hotel in Edinburgh. Wir nächtigen im Mercure Edinburgh City Princes Street Hotel in einem Zimmer mit Burgblick. Kaum öffnet mein Freund die Zimmertür im fünften Stock, verschlägt mir die Aussicht den Atem. Ein kleiner Erker mit Fenstern in alle Richtungen gibt den Blick frei auf die Skyline der Altstadt. Im Vordergrund links das Scott Monument (es wurde in der Pandemie für die Öffentlichkeit geschlossen und bisher nicht wiedereröffnet, sodass wir während des gesamten Aufenthaltes die Sicht auf ein Monument ohne Touristen auf den Plattformen haben), am rechten Rand das Edinburgh Castle. Bei Tag, bei Nacht oder in der Dämmerung ist mir kein Ort in Edinburgh mit schönerer Aussicht bekannt – und dafür, dass wir nur zwei Tage hier sind, sehen wir sehr viel.


Sehenswürdigkeiten

Wir entscheiden uns für den Touristenklassiker. Im Hop-on-Hop-off-Bus begeistert uns Guide David für seine Stadt. Auch Fahrer Louis verdient meinen vollsten Respekt! Ich leide ein wenig an Reisekrankheit und eine Busfahrt von einer guten Stunde ist normalerweise ohne Medikament nicht möglich. Hier schaffe ich problemlos die ganze Runde mit dem grünen Bus von Edinburgh Bus Tours. Anschliessend fahren wir mit dem blauen Bus wie geplant bis zum sechsten Stopp und geniessen ein Mittagessen am Meer. Das Nachmittagsprogramm wird spontan auf den Kopf gestellt. Statt dem Surgeon's Hall Museum (mein Wunsch) oder der Royal Yacht Britannia (Wunsch meines Freundes), geniessen wir dann doch die interaktive Ausstellung in der Dynamic Earth (Empfehlung von David und jetzt auch von mir). Wer in der Schweiz schon mal ein Schoggimuseum besucht hat, kann sich die Art der interaktiven Ausstellung zum Thema Geologie in Edinburgh ungefähr vorstellen. Joy (wenn das, was sie erzählt, uns nicht gefällt, Sally) und Edi (wenn wir seine Fahrkünste nicht mögen, Harry) bringen uns mit dem grünen Bus sicher zurück und wir lernen sogar noch ein Wort Schottisch-Gälisch.


Beim Abendessen entdecken wir auf einem vorbeifahrenden Bus eine Werbung für den Volcano Falls Fountain Park, wo man Minigolf spielen kann. Busse geben hier wirklich gute Empfehlungen ab … Also starten wir um 22 Uhr mit dem Ersten von insgesamt 36 Löchern. Dank eines Zwischenfalls wird uns noch ein Getränk spendiert, bevor uns der Nachtbus wieder zum Hotel fährt. Das Kreditkartensystem TapTapCap auf den Linien der Lothian macht Reisen wie die Lokalbevölkerung auch für uns Touris supereinfach.


An Tag zwei in Edinburgh machen wir zu Fuss eine Runde über die Royal Mile – mehr liegt nach der kurzen Nacht nicht drin.


Das ist schon die zweite dieser Art. Denn auch in Glasgow bleiben zwischen wunderbarem Abendspaziergang am Fluss und der Besichtigung der Gallery of Modern Art am Morgen danach nicht viele Stunden. Das Museum gefällt mir nicht wirklich, dafür liebe ich die anschliessend in der Touristeninfo gekauften Handschuhe (ich nenne sie "Glasgloves" und finde: Hätte ich einen grünen Mantel, könnte ich damit glatt als Queen durchgehen). Da das Lighthouse aufgrund von Bauarbeiten geschlossen ist (das hätte ich sehr gerne gesehen), lassen wir uns hier beraten und entscheiden uns für einen abschliessenden kurzen Ausflug zur Glasgow Cathedral.


Die meiste Zeit verbringen wir aber im Zug. Wir geniessen das sanfte Ruckeln, die Schnellfahrstrecken und am allermeisten die vorbeiziehende Landschaft. Es ist einfach unglaublich schön hier!


Kulinarisches

Im Eurostar wird uns ganz überraschend ein Menü serviert. In der Standard Premier kann – ähnlich wie im Flugzeug – zwischen zwei Gerichten gewählt werden und entsprechend erhält man ein vorbereitetes Tablett. Natürlich schlagen wir zu! Unser eingepackter Proviant (hauptsächlich bestehend aus dem Gemüse aus unserem Kühlschrank, welches nach einer Woche Urlaub nicht mehr gut wäre (die Chips sind zu dem Zeitpunkt bereits gegessen, aber ich hatte auch etwas Salziges, keine Angst Mami) wird kurzerhand zum Abendessen umfunktioniert. So sitzen wir in unserer Spontanunterkunft in London, geniessen Peperoni, Fenchel und Gummibären – ergänzt haben wir die Mahlzeit mit einigen Leckereien des nahe gelegenen Taco Bell. Im Fernsehen läuft eine spannende Dokumentation zur Polizeiarbeit in Brighton. Wir entscheiden uns, den verpassten Abstecher nach Manchester ganz zu streichen und stattdessen am nächsten Tag den Zug um 11:30 Uhr direkt nach Glasgow anzupeilen. So sind wir am Nachmittag bereits wieder auf der geplanten Route.


Mein Freund ist als Erster wach. Kaum öffne ich die Augen, informiert er mich über den Stand der Dinge: Die Züge fahren wieder, allerdings in sehr unregelmässigen Abständen. Nach Glasgow 07:30 Uhr ging pünktlich, die nächsten zwei waren gestrichen. Nach Manchester ging bisher noch kein Zug wie geplant. Wir frühstücken im Prêt und gehen schon ein wenig früher zum Bahnhof. Um 10:25 Uhr sind wir in der zum Bersten gefüllten Bahnhofshalle, sieben Minuten später wird der Bahnsteig für den Zug nach Glasgow bekannt gegeben.


Es startet eine Völkerwanderung. Die ganze Halle scheint sich in Bewegung zu setzen, alle Menschen wollen in den Norden, Hauptsache weg vom "Bottleneck London". Familien werden auseinandergerissen, die Vordersten rennen zum Zug. Mein Freund und ich nehmen uns an den Händen und lassen uns mit bestimmten Schritten mittreiben (den Rucksack trage ich vorne, keine Angst Nani). Kurz darauf sind wir im Zug. Jetzt bin ich noch dankbarer für die gewählte Klasse als gestern! Der geräumige Wagen füllt sich, schnell sind alle Sitze belegt, die Koffer verstaut und Passagiere tauschen sich über Reiseziele und Auswirkungen der letzten Tage aus. Mit circa 20 Minuten Verspätung fahren wir tatsächlich los. Avanti West Coast gibt sich alle Mühe! Das Zugpersonal versucht, Wünsche zu erfüllen, Sitzplätze für ältere Mitreisende zu finden und schickt auch den ein oder anderen Mann in den Wagen, in dem seine Frau sitzt. An eine Ticketkontrolle ist nicht zu denken. Obwohl die Klassen für diesen überfüllten Zug aufgehoben wurden, vermute ich, dass in den anderen Wagen mehr Gedränge herrscht oder es evtl. lauter ist. Ich selbst freue mich nämlich über die Rücksichtnahme aller Passagiere und bleibe während der ganzen Fahrt entspannt. Die ersten zweieinhalb Stunden müssen wir stehen – ungefähr so lange dauert es auch, bis wir bemerken, dass wir nicht einkaufen waren. Der Rucksack enthält rein gar nichts Essbares mehr (entschuldige, Mami).


Wenigstens steigen in Preston einige Leute aus und wir können uns auch zwei Sitzplätze ergattern. Jetzt stehen die neu Zugestiegenen und eine ganze Menge Leute bleibt am Perron zurück. Sie hoffen auf den nächsten Zug. Während einer Zugfahrt verbraucht man gar nicht so viele Kalorien (stehend ist auch kein Beobachten der Landschaft möglich, der Körper hat also nur die Aufgabe, im Gleichgewicht zu bleiben) und so fällt uns das Fasten gar nicht so schwer. In Glasgow hole ich mir dann gleich einen Cupcake mit viel Frosting und am nächsten Tag gönnen wir uns ein leckeres Mittagessen im Hard Rock Cafe.


Für die lange Zugfahrt zurück haben wir dann wieder vorbildlich Proviant dabei (aus dem Marks & Spencer, von dem wir die Entgegennahme der Lieferung jeweils beim Abendessen vom Hotel aus beobachten konnten) und am letzten Tag vertrauen wir (diesmal wissend) auf den Eurostar – und er liefert erneut!


Erwähnt sei noch der Salat, den ich in Edinburgh zu mir nehme. Nicht nur das Essen ist fantastisch, auch die Aufmachung des Restaurants Zizzi lässt mich träumen. Ich fühle mich hier pudelwohl. Und wie bereits erwähnt, liegt das Lokal im Ocean Terminal (oder zumindest die Terrasse) direkt am Wasser.


Und sonst so

Auch an unserem letzten (geplanten) Abend in London zieht es uns ans Wasser. Wir verweilen beim "Screen On The Canal" (das kostenfreie Open-Air-Kino zur Festivalszeit zeigt heute einen Mamma-Mia!-Film und anschliessend Bohemian Rhapsody) und stöbern durch das Sortiment der schwimmenden Buchhandlung "Word On The Water". Auf dem Bagley Walk setzen wir uns auf die schönste Bank und essen mitgebrachte Sandwiches und Beeren.


Kurzer Halt im Hotel: Es ist ein süsses, kleines Zimmerchen (zugänglich mithilfe eines alten Bartschlüssels) oberhalb einer Bar, in der total liebe Mitarbeitende tätig sind und heute Karaoke gesungen wird. Leider ist mein Freund davon weniger begeistert als ich und lässt sich nicht zu einem Abstecher überreden. Wir deponieren also nur den Rucksack und machen uns erneut auf den Weg zum Kanal. Bei Dunkelheit ist das Quartier King’s Cross noch schöner! Ein wirklich würdiger Abschluss dieser Reise – denken wir.


Der Wecker ist gestellt, die Zähne sind geputzt, es bleiben acht Stunden Schlaf. Ich entlasse nur kurz ein lustig aussehendes Insekt, welches sich auf mein Kopfkissen verirrt hatte, durchs Fenster in die Freiheit. Und dann noch eins. Beim Dritten werde ich stutzig. "Du, weisst du, wie Bettwanzen aussehen?", frage ich meinen Freund. Jetzt wissen wir es auf jeden Fall beide. So kommt es, dass wir (nicht ohne vorher halb panisch (ich – danke für die Horrorgeschichten, die mir natürlich alle jetzt eingefallen sind, Belle), beziehungsweise relativ unbeeindruckt (mein Freund), eine kurze Internetrecherche betrieben, sich mit der Situation komplett überfordert gefühlt (wieder ich), den Duty Manager des Hotels wachgeklingelt (mein Freund via Barpersonal) und eine Rückerstattung des Zimmerpreises verlangt zu haben) um Mitternacht unseren Koffer packen und – du rätst es – uns auf den Weg ins Mercure London Bloomsbury Hotel machen.


Eine gute halbe Stunde später sitzen wir im Badezimmer (des, diesmal im Erdgeschoss gelegenen, riiiiiesigen Zimmers – vielleicht ist doch das das Schönste und nicht das im siebten Stock?) und untersuchen akribisch unsere Pyjamas. Das Gepäck liegt verschlossen in der Dusche und endlich fallen wir todmüde ins Bett.


Kennst du die Momente, in denen du dir wünschst, du könntest den Urlaub mit nach Hause nehmen? Also wir haben uns das nicht gewünscht! Trotzdem wird zur Sicherheit in der Badewanne ausgepackt. Wir sind frisch geduscht, sortieren, tun und machen, frieren Glasgloves ein, lassen mitten in der Nacht die Waschmaschine laufen und putzen jeden einzelnen Gegenstand zumindest mit von Desinfektionsmittel getränktem Toilettenpapier. Eine Wanze kriecht tatsächlich aus meinem Turnschuh (auch die können bei 60 Grad gewaschen werden). Der Koffer muss auf dem Balkon übernachten und darf erst nach mehreren Stunden an der prallen Sonne wieder rein. Pantoffeln und Papier werden in einem zugeschnürten und verklebten Abfallsack entsorgt. Bei all diesen Massnahmen handelt es sich übrigens nicht um qualifizierte Ratschläge in Sachen Schädlingsbekämpfung, sondern lediglich um unsere Version, mit der Situation umzugehen.


Die "Nachbearbeitung" der Ferien dauert einige Tage an. Tage, in denen wir unser Badezimmer nicht grossartig nutzen können und trotz grösster Vorsicht befürchten, etwas übersehen oder nicht bedacht zu haben. Macht nichts – wie hätte ich die freie Zeit in dieser aussergewöhnlich arbeitsintensiven Woche (44 Stunden inklusive einer Schicht Einführung eines neuen Mitarbeitenden) sonst verbringen sollen?


Erstaunlicherweise fühle ich mich zehn Tage später noch immer sehr erholt und schaue glücklich und lachend auf die Ferien zurück. Ob wir wieder einmal nach Grossbritannien fahren sollen? Vielleicht planen wir unsere Reise dann um Manchester herum? Zunächst geniessen wir aber den goldigen Sommer und im Herbst folgt dann der von mir organisierte Urlaub.


Herzlich,

ani.actress


PS. @Papi, ich hoffe, das isch Aargau gnueg ;-).

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