Hallo Sonnenschein
Heute beginnt die Arbeit beinahe schon vor der Arbeit. Aufgrund meines frühen Schichtbeginnes gehe ich das erste Stück bis zur nächstgrösseren Bushaltestelle jeweils zu Fuss. Mit Kopfhörern im Ohr und frischer Morgenluft um die Nase macht das auch ziemlichen Spass.
Nach zwei Dritteln des Weges stoppe ich abrupt. Was war das für ein Licht? Auf der anderen Strassenseite ist durch ein Fenster der Lichtkegel einer Taschenlampe auszumachen. Langsam bewegt er sich durchs Zimmer. "Ob hier gerade eingebrochen wird?", geht es mir durch den Kopf. Ich schaue mich um. Das Zimmer liegt im ersten Stock und befindet sich über einem Geschäft. Würde es nicht mehr Sinn machen, dort einzusteigen?
Das Fenster scheint unbeschädigt, dahinter sehe ich nur den Vorhang und das Licht der Lampe. Ich vermute, es handelt sich um eine Wohnung. Ich kann keinen (Flucht)wagen oder Ähnliches erspähen und mir auch nicht erklären, wie der potenzielle Einbrecher in den ersten Stock gelangt ist, wenn nicht durchs Treppenhaus.
Ich betrachte den Lichtkegel genauer. Er scheint sich nicht wirklich koordiniert zu bewegen. Eine systematische Durchsuchung des Zimmers kann ich also ausschliessen. Angestrengt versuche ich, etwas im Licht zu erkennen, aber die gezogenen Vorhänge machen jegliche Versuche zunichte.
Der Bewegungsablauf wirkt fahrig, manchmal scheint die Lampe stillzustehen – oder zu liegen. Vielleicht liegt sie auf einem Bett. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass jemand sich anzieht, während der Partner noch schläft oder zumindest schlafen sollte – die Taschenlampe ist überdurchschnittlich hell. Als Einbrecher auch nicht unbedingt sinnvoll.
Ich bleibe noch so lange, bis ich mir sehr sicher bin, dass nichts Unrechtmässiges geschieht. Dann setze ich meinen Weg zum Bus fort.
Ein bisschen lustig wäre es allerdings gewesen, wenn ich meinen Arbeitgeber – eine Sicherheitsfirma wie du weisst – mit den Worten: "Ich komme heute ein bisschen zu spät, bin zufälligerweise an einem Einbruch vorbeigekommen und warte jetzt auf die Polizei", hätte anrufen müssen.
Ich hoffe natürlich, dass meine Einschätzung richtig war und mein Bauchgefühl mich nicht fehlgeleitet hat. So oder so ist es aber immer wieder gut, solche Situationen und die eigene bestmögliche Reaktion im Kopf durchzuspielen. Ganz im Sinne der mentalen Vorbereitung auf den Dienst. Danke, Fremder.
Herzlich,
ani.actress
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