Hallo Sonnenschein
Obwohl ich absolut kein Lagertyp bin, leite ich dieses Jahr ein Lager mit. Wie die meisten meiner Entscheidungen kam auch diese aus dem Bauch. Komischerweise freue ich mich total. Als Hilfsleiterin stosse ich erst dazu, nachdem die Planung so gut wie abgeschlossen ist.
Anreise
Am Bahnhof sammeln wir die 9- bis 11-jährigen Kinder ein und steigen mit Rucksäcken und Rollkoffern bepackt in den Zug. Erste Aufgabe für mich: Namen lernen. Acht Buben und acht Mädchen sind mit von der Partie. Gemeinsam staunen wir über unter Wasser stehende Spielplätze und Promenaden vor dem Fenster, diskutieren über Lieblingsbücher und erzählen von vergangenen Lagererlebnissen. Schon sind wir am Ziel, schultern unser Gepäck und marschieren geschlossen durch den Ort.
Unterkunft
Im gemieteten Pfadihaus fühle ich mich sofort zu Hause. Draussen haben wir einen kleinen Waldanstoss, in dem die Kinder spielen dürfen, einen Fussballplatz und eine Lagerfeuerstelle. Der grosse Gemeinschaftsraum bietet Platz für gemeinsame Mahlzeiten, Spiele oder die Erstellung eines "Laserraumes". Abends lesen wir hier eine Geschichte vor. Neben den Gemeinschaftsduschen (die ich als Leiterin, wann immer ich möchte, auch allein nutzen kann) und dem kleinen Leiterzimmer führt eine Treppe nach oben zu den drei Räumen, in welchen wir auf dünnen Matratzen in Schlafsäcken die Nacht verbringen. Normalerweise bevorzuge ich Hotels mit einem gewissen Komfort, aber morgens die Treppe runterzukommen und eine Gruppe Kinder, die leise im Gemeinschaftsraum spielen, anzutreffen, hat durchaus etwas Magisches.
"Sehenswürdigkeiten"
Unser Programm reicht vom Sinnesparcours im Wald über einen Freibadbesuch und ein 24-Stunden-Spiel bis hin zur nächtlichen Schnitzeljagd (die sorgt wider Erwarten überhaupt nicht für Begeisterung).
Mir persönlich gefällt die Wanderung am besten. Gemütlich spazieren wir zum nächsten Dorf und wagen einen kleinen Aufstieg, bevor wir einen Platz mit Brunnen und Streichelzoo erreichen. Auf dem Weg erzählen die Kinder von ihrer Lieblingsserie, den Haustieren und Berufswünschen. Auf dem Rückweg bleibt genügend Zeit für ausgiebige Spielpausen. Die Aufnahmen, welche beim Fangspiel "British Bulldog" entstehen, zeigen Freude, Kampfgeist und Fangaktionen, die harmloser waren, als sie aussehen. Am Ende des Lagers werde ich von den Kindern zur Wanderkönigin gekürt.
Kulinarisches
Unser Lagerkoch zaubert jeden Tag grossartiges Essen auf den Tisch. Es gibt vegetarische Gerichte aller Art. Grosser Beliebtheit erfreuen sich natürlich die Spaghetti an Tomatensauce, es gibt aber auch panierte Tofu-Schnitzel, Älplermagronen und sogar eine Bündner Gerstensuppe (ein wenig sommerliches Gericht, welches nur auf Wunsch mehrerer Kinder auf dem Menüplan landete). Im Leiterzimmer liegt immer eine Tafel Schokolade – ich weiss nicht genau, wem die gehört, gegessen habe ich wohl am meisten davon.
Und sonst so
Eine Lagergeschichte zieht sich wie ein roter Faden durch die Woche. Jeden Tag gibt es neue Entwicklungen und die Kinder halten während der Freizeit geheime Sitzungen ab, um über die Geschehnisse zu diskutieren.
Die Gruppe der Kinder, die uns anvertraut wurden, ist eine super Mischung. Es sind einige temperamentvolle und viele sehr ruhige Kinder mit dabei. Ich habe sie schnell in mein Herz geschlossen. Faszinierenderweise sind alle Kinder folgsam. Nicht eine Anweisung wird missachtet, ganz unabhängig davon, wer von uns Leitenden sie äussert oder wie streng dabei geschaut wird. So können wir auch schnell viel erlauben und haben eine wunderbare Zeit.
"Forever alone" steht auf unserem Wochenplan... eingetragen am Nachmittag vom Samstag, also kurz nachdem wir die Kinder am Bahnhof wieder ihren Eltern übergeben. Vor dem Lager schmunzelte ich über diese Zeile und änderte sie im Kopf zu "endlich wieder meine Ruhe", tatsächlich fühle ich mich aber wirklich allein. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich einen Lagerkoller. Obwohl mich mein Freund am Bahnhof abholte, vermisse ich die Gruppe das ganze Wochenende über. Das Lager war für mich mehr Ferien als Stress.
Eine ganz neue Erfahrung, die ich hier machen durfte. Danke, Bauchgefühl.
Herzlich,
ani.actress
Danke für den schönen Bericht, aniactress