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Lügenbaronin

Hallo Sonnenschein


Ein weiterer Entwicklungsschritt wollte durchlebt werden... Dabei ging es ums Lügen. Studien belegen bekanntlich, dass alle Menschen lügen. Und dies sogar ziemlich oft. Ich bin die Ausnahme und lüge nicht. Davon war ich bis gestern felsenfest überzeugt.


Lügen finde ich maximal verwerflich. Zu lügen stellt für mich einen Vertrauensbruch dar und Lügen sind in meiner Erfahrung auch nicht nötig, geschweige denn zielführend. Ich sage die Wahrheit – offen und direkt – und fahre damit unglaublich gut.


Nun wurde die Idee an mich herangetragen, dass es Sprachen der Lügen geben könnte. Ähnlich wie Menschen Liebe unterschiedlich ausdrücken, lügen sie auch verschieden. So gibt es beispielsweise den Übertreiber, die Allwissende oder den Erfinder.


Die Allwissende erklärt, dass es ihr unheimlich schwerfällt, zuzugeben, dass sie etwas nicht weiss. Sobald sie merkt, dass niemand am Tisch eine Expertise zu einem Thema hat, übernimmt sie den Part und klärt die anderen mit erfundenen oder zusammengereimten Fakten auf. Wie die meisten Alltagslügen entstehen sie nicht mit böser Absicht oder aus krimineller Energie heraus, sondern um sich selbst oder andere zu schützen.


Um sicherzustellen, dass ihr Wert erkannt wird, muss die Allwissende erklären. Um andere vor der Unsicherheit/Angst zu schützen, die entsteht, wenn Wissen fehlt, springt sie ein und vermittelt (falsche) Sicherheit und Vertrauen.


Ich bin eine Auslasserin. Geht es darum, meine Integrität, die meines Gesprächspartners oder Dritter zu wahren, erzähle ich nur das absolute Minimum. Ich tätige keine unwahren Aussagen, lasse aber bewusst Teile der Antwort weg, die mein Gegenüber erwarten würde. Ich achte auf jedes in der Frage benutzte Wort, darauf wie die Frage genau gestellt wurde, und antworte ausschliesslich darauf – unabhängig davon, wie die Frage (meist zweifelsfrei) gemeint war. Zudem kann ich als Auslasserin wunderbar ablenken und statt Unangenehmes preiszugeben, eine Wahrheit erzählen, die absolut nichts zur Sache tut, dafür aber das Gespräch beendet oder in eine andere Richtung lenkt.


Zugegeben, ich nutze die Werkzeuge der Auslasserin ziemlich häufig und bin eine richtige Meisterin geworden.


Bisher habe ich das nie als Lügen empfunden (und ich bin mir ehrlicherweise noch nicht mal sicher, ob ich das heute tue). Jetzt ist mir aber klar, dass diese Form von Manipulation (unabhängig davon, ob sie zum höheren Wohl aller oder zum eigenen Vorteil auf Kosten anderer eingesetzt wird) nicht unbedingt ehrlicher ist.


Versteh mich bitte nicht falsch, ich glaube noch immer, dass meine Art mit unangenehmen Wahrheiten umzugehen die richtigste ist. Meine Lügenmuttersprache empfinde ich als die einzig wahre und ich finde es absolut daneben, wissentlich eine Unwahrheit von sich zu geben. Wie könnt ihr und was soll das bezwecken?


Trotzdem kann ich seit gestern nachvollziehen, wie ein junger Mann dazu kommen kann, seiner Freundin zu erzählen, er sei mit seinem Vater unterwegs, wenn er stattdessen mit Kollegen eine Party schmeisst. Er hat das Bedürfnis, einen Nachmittag ohne seine Freundin, nur unter Freunden, zu verbringen, möchte sie aber nicht kränken oder in die Eifersucht treiben. Auf seine Art versucht er, einen potenziellen Konflikt und ungute Gefühle zu vermeiden, was seiner Meinung nach für alle Beteiligten besser ist.


Ich finds blöd. Super blöd, um genau zu sein. Aber ich kann es verstehen. Und Verständnis ist die Grundlage für einen offenen Diskurs. Verständnis ermöglicht Nachsicht, Liebe und Wohlwollen.


Aus "Lügen ist verwerflich!" wurde "Lügen ist eine (verwerfliche) Strategie". Mal sehen, ob bzw. wie ich mich in diesem Bereich noch weiter entwickeln werde.


Herzlich,

ani.actress


PS. Wie würdest du deinen Lügentyp nennen? Ich verspreche, ich begegne deiner Antwort offen und versuche, mir kein vorschnelles Urteil zu bilden.

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