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Autorenbildatalanta.pferd

Poltertag

Hallo Sonnenschein


Wir treffen uns für eine Besprechung der Hochzeitspläne von Belle. Nach Klärung der wesentlichen Dinge komme ich auf die wirklich wesentlichen Dinge zu sprechen: "Wann wird gepoltert?" Meine Co-Trauzeugin erklärt mir mit ernster Miene, dass Belle ausdrücklich keinen Poltertag wünscht. Ungläubig blicke ich zu Belle. Warum willst du dir diese grandiose Gelegenheit entgehen lassen, dich zu feiern? Ich forsche in ihren Augen nach Antworten auf meine stumme Frage. Zu meiner Freude entdecke ich keine, sehe stattdessen einen bestimmten Gesichtsausdruck, der sich unter meinem Blick für den Bruchteil einer Sekunde in Unsicherheit wandelt. Das reicht mir. Begeistert erkläre ich, dass Belle natürlich ein Polterevent kriegt und ich das gleich selbst organisieren werde. Keine weitere Diskussion.


In den kommenden Tagen wälze ich Ideen und suche nach geeigneten Eventlocations. Belle will sich nicht abends spät in einer Bar betrinken und dabei auf nackte Tatsachen blicken, so viel ist schon mal klar. Es soll ein entspannter Tag unter Frauen werden, an dem man sich gut unterhalten kann – Wellness fällt daher ebenfalls aus. Wegfahren muss auch nicht sein... Einerseits leben wir nach wie vor in unsicheren Zeiten und andererseits macht ein harmonisches Miteinander Belle viel glücklicher als alle schönen Orte der Welt. Ich suche nach einer kreativen Tätigkeit, in privatem Rahmen angeleitet und für alle Freundinnen (Belle hat mich glücklicherweise in Form einer hilfreichen Liste an ihre liebsten Mädels erinnert) gut erreichbar. Ziemlich schnell kann ich mich auf fünf mögliche Tagesprogramme festlegen. Belles Schwester spielt ein wenig Vernunft und kann mir beim Eingrenzen helfen. Kurzentschlossen buche ich die Orte des auserkorenen Favoriten und verschicke Poltereinladungen – ganz modern – elektronisch.


Fast alle Freundinnen haben Zeit. Eine Woche vor dem Event schaue ich mir das Ganze endlich auch von Nahem an, teste das Essen und bin froh, dass die Location meinen Erwartungen (und den Bildern im Netz) entspricht. Nur noch ein paar Mal schlafen, dann ist es so weit.


Am Sonntag vor der kirchlichen Trauung treffen wir uns um 12 im Restaurant für einen leckeren Brunch. Team-Bride-Aufkleber werden verteilt und ich mache mich auf, um die Hauptperson vom Bahnhof abzuholen. Belle staunt nicht schlecht, als ich sie mit dem eigens zum "Bridemobil" umfunktionierten Gefährt unserer Kindheit in Empfang nehme. Zurück im Restaurant beginnt sie aber beim Anblick all ihrer Freundinnen erst recht zu strahlen.


Wir schlagen uns die Bäuche voll, quatschen eine Menge und lernen uns gegenseitig kennen. Es ist warm, aber nicht zu heiss, die Sonne strahlt und wir geniessen die Zeit miteinander. Anschliessend geht es für die meisten von uns noch ein Haus weiter. Nach einer spontanen Salamander-Rettungsaktion stehen wir im Atelier und dürfen töpfern. Belle (mittlerweile trägt sie einen Bride-to-be-Haarreif mit Schleier – ein bisschen Spass für die Polterfreundinnen auf Stripperentzug und ein klein wenig Peinlichkeit für Belle müssen sein) wird mit einem Bild beschenkt, welches aus einzelnen Tonplatten besteht, die jede von uns gestaltet. Im Gegensatz zum gesprächigen Brunchteil ist es jetzt ganz still und alle arbeiten konzentriert vor sich hin. Nur hin und wieder hört man ein nach Inspiration suchendes Stöhnen oder einen blöden Spruch. Nur Belles Schwester ruft immer wieder durch den Raum, wenn sie ein neues entzückendes Utensil zur Tonbearbeitung findet.


Alles in allem können wir den Poltertag als erfolgreich verbuchen und den Fokus nun endgültig in Richtung Hochzeit lenken. Belles Lachen am Ende des Tages lässt mich nochmals leicht den Kopf schütteln. Du willst keinen Poltertag?!


Herzlich,

ani.actress

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