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Schweden

  • Autorenbild: atalanta.pferd
    atalanta.pferd
  • 18. Aug. 2023
  • 5 Min. Lesezeit

Hallo Sonnenschein


Schon wieder geht's auf Reisen. Diesmal ist der hohe (sehr hohe) Norden das Ziel. Wir wollen Nordlichter sehen. Dafür sind wir Ende April reichlich spät. Aber gut, für den 29. habe ich viel Sonnenaktivität bestellt und wir bemühen uns, sogar über den Polarkreis zu kommen. So viel Norden und Einsatz sollte meiner Meinung nach belohnt werden.


Mein Freund plant den Urlaub und organisiert Interrail-Tickets. Ganze elf Tage soll die Reise dauern und uns bis nach Kiruna, Schweden führen.


Anreise

Nach einem unschönen Erlebnis mit Bussenfolge für mich bereits frühmorgens, bringt uns der Nachtzug erstmal nach Hamburg. Der Zug der ÖBB ist klein, aber sehr fein. Ich schlafe wie ein Baby. Von Hamburg führt die Reise weiter bis nach Stockholm, unserem ersten Reiseziel.


Ein weiterer Nachtzug – ein eher älteres Modell – bringt uns später von Sundsvall nach Kiruna. Von dort fahre ein kostenfreier Bus bis ins Zentrum, behauptet die Zugbegleiterin. Uns gelingt es, den Gratisbus (vermutlich gut als Taxi getarnt) zu verpassen. Also heisst es, den Koffer durch das Schneegestöber bis zur dreissig Gehminuten entfernten Unterkunft zu ziehen. Mein Freund hat beste Laune.


Alles in allem sind die vielen Zugstunden sehr angenehm. Wir fahren erste Klasse und haben über einen kurzen Zeitraum sogar einen ganzen Wagen für uns allein – eine kleine Danceparty muss da sein.


Unterkunft

Wir schlafen in verschiedenen empfehlenswerten Hotels. Einzig die Unterkunft in Stockholm bleibt hinter den Erwartungen. In Sundsvall (auf der Reise in den Norden), Karlstadt und Göteborg (beide auf der nach Süden verlaufenden Strecke in der zweiten Ferienhälfte) nächtigen wir in einem "Elite Hotel of Sweden". Für den gelungenen Abschluss unserer Reise sogar in einer Suite hoch oben über vielen Dächern von Göteborg.


Die Suite ist wunderschön und riesig. Auf meine ironische Frage hin, wo ich den Koffer wohl deponieren könne, meint mein Freund: "Mitten in den Weg!" Natürlich lasse ich – als durchaus lustig aufgelegtes Wesen – mir das nicht zweimal sagen. Ich finde den denkbar ungünstigsten Ort, sofern es einen solchen bei einem "Zimmer" dieser Grösse überhaupt gibt, und lege den Koffer offen hin. Am nächsten Morgen stehe ich früh und ganz leise auf, um den Sonnenaufgang zu sehen (mein Partner möchte lieber länger schlafen). Nach dem Naturspektakel schleiche ich zurück Richtung Bett, stolpere über den Koffer, Falle der Länge nach hin, ein Knie landet stützend im offenen Gepäckstück, direkt auf der Chipstüte und das alles unter grossem Gepolter und kläglichem Geknirsche. Ich warte eine Sekunde ab, schäle mich vorsichtig aus dem Koffer und höre aus dem Bereich der Räumlichkeit, wo das Bett steht, ein leises: "Bist du schon aufgestanden? Ich will den Sonnenaufgang doch auch sehen..."


Abgesehen von der luxuriösen Hotelkette kann ich auch unsere Unterkunft in Hamburg empfehlen. Wir machen einen allerletzten Zwischenstopp und übernachten im Mercure Hotel Hamburg City. Die Mitarbeitenden der Rezeption haben viel Humor, sind hilfsbereit und die Zimmer sind total cool eingerichtet. Die Garderobe gleicht – passend zur Hafencity – einem Schiffscontainer und auch die Minibar lässt sich nicht ohne kurzes Nachdenken öffnen.


In Kiruna selbst, dem nördlichsten Punkt und damit eigentlichen Ziel dieser Reise, schlafen wir in einem kleinen Cottage. Ein Vorraum mit Gummiboden trennt das gemütliche Schlafzimmer von der schneebedeckten Aussenwelt. Wir sind in einem Hotelkomplex und doch mitten in der Natur. Eines Morgens sehen wir sogar direkt vor unserem Fenster einen Schneehasen einige Grashalme malmen.


Sehenswürdigkeiten

Die Sonnenaktivität ist tatsächlich gegeben, allerdings schneit es in Kiruna. Entsprechend schauen wir statt faszinierenden Nordlichtern am Himmel, die sehr gute Serie "The Recruit" auf dem Tablet meines Freundes. Bis weit in die Nacht hinein geben wir nicht auf und legen uns erst spät schlafen. Auch sonst ist in Kiruna nicht viel los. Das Tourismusbüro hat geschlossen und die Anbieter der vielfältigen, auch zu dieser Jahreszeit noch erhältlichen, geführten Touren (Stadtführung, Wildtierfotografie etc.) bereiten sich auf den 1. Mai vor, indem sie bereits zwei Tage vorher nicht erreichbar sind. So bleibt uns nur, die Gegend auf eigene Faust zu erkunden und verborgene Schätze im Schnee zu suchen.


Per Zufall kommen wir an der Kirche mit spannender Architektur vorbei. Ich möchte rein und wir lesen auf Englisch darüber, warum die Kirche bald versetzt werden muss und dass es zum "Wie" noch keine konkreten Pläne gibt. Einmal weitergeblättert stellen wir fest, dass die Informationen auch auf Deutsch erhältlich sind – danke dafür.


Kurz vor zwei Uhr nachmittags erwacht die verschlafene Gegend. Alle Welt strömt zur Kirche. Mädchen in kurzen Röcken stapfen in Ballerinas durch den Schnee, Männer kommen im sauberen Hemd, Frauen tragen die Kinder in Wiegen her. Kaum haben wir den Vorraum verlassen, beginnt auch schon der Gottesdienst. Um ein Haar wäre ich live dabei und könnte von einer schwedischen Gottesfeier berichten. Aber ohne meinen Freund entscheide ich mich dann doch dagegen – was soll er schon so lange machen? Es ist ja sonst nix los...


Lebende Elche in freier Wildbahn sehen wir leider nicht, dafür dürfen wir in Göteborg eine Art Zoo kombiniert mit einem Park, Slottsskogen, besuchen. Dort schenken uns Elch, Seehund, Möwe und ein veganer Schokokuchen mit edel wirkendem, rotem Pulver bestreut und goldenem Schokotaler versehen, unvergessliche Momente.


In Sundsvall besteigen wir den Nordberg Norra Berget und dessen Turm, setzen uns auf eine überdimensional grosse Bank, entziffern schwedische Infotafeln, geniessen das Mittagsbuffet und lernen auf dem Rückweg ganz nebenbei etwas über das schwedische Tierschutzgesetz.


Während uns in Stockholm und Hamburg nicht viel Zeit bleibt, finden wir im Mariebergsskogen in Karlstadt ganz viel Ruhe, Zeit für eine Partie Minigolf, Gänse und gar einen Sandstrand.


Kulinarisches

Bereits im Zug lernen wir das schwedische vegane Dessert – einen feuchten Brownie – kennen und lieben. Nach einer guten Woche ist das Bedürfnis dann doch nicht mehr so gross. Alle Restaurants scheinen es zu kennen, Alternativen gibt es nicht.


Ansonsten essen wir wirklich gut. Hervorheben möchte ich das "Bishops Arms" in Karlstadt (und kulinarisch gesehen auch das in Sundsvall). Hier isst man mitten in einer altehrwürdigen Bibliothek. Den Abend werde ich nicht mehr vergessen!


Witzig waren auch die Abende in den eher nischigen Szenerestaurants, die die Suchmaschine ausspuckt, wenn mein Partner das Internet nach ausschliesslich veganen Angeboten durchforstet. Mit Stickern gepflasterte Toiletten, viel politischer Aktivismus, eher auffällige Persönlichkeiten, wenig Platz und viel Toleranz empfangen uns angepasste Touristen, ohne mit der Wimper zu zucken.


Gerne möchte ich noch einen Italiener erwähnen, da ich aber weder den Namen noch die Lage des Lokals erinnere und mein Kopf nicht mit der Internetsuchmaschienenbildersuchfunktion verknüpft ist, lasse ich das an dieser Stelle bleiben.


Und sonst so

In der Nebensaison zu reisen ist wirklich nicht schlecht. Wir sind entspannt und können mehr oder weniger ungehindert durch die freie Zeit schlendern. Auch den Pool auf dem Dach des Hotels in Karlstadt haben wir ganz für uns. Klar, dass mein Freund mir für diese Gelegenheit einen neuen Bikini kauft (meiner wartet derweil frisch gewaschen im schwedischen Kleiderschrank in der heimischen Schweiz). Die Verkäuferin und mein Partner sind gleichermassen erstaunt, als ich problemlos in englischer Sprache auf eine auf schwedisch gestellte Frage antworte. Naja, der Zusammenhang war halt klar, oder.


Ach, das Beste hätte ich fast vergessen: In Göteborg (ist sowieso einen weiteren Besuch wert!) profitieren auch Touristen vom ausgeschriebenen "4 Taschenbücher zum Preis von 3, exklusiv für Stammkunden"-Rabatt. Schliesslich braucht man für eine Kundenkarte eine schwedische Wohnadresse und wie sollen Ausländer so an die Vergünstigung gelangen können? Also gibt es sie einfach geschenkt. Wir verbringen sicher zwei Stunden in der Akademibokhandeln auf der Suche nach der perfekten Pocketboklektüre.


"Jede Reise hat ein Ende, aber die Erinnerung daran ist unvergänglich." – Mit diesem zutreffenden Spruch möchte ich die Erzählungen zu unserer Schwedenreise beschliessen. Hab einen wundervollen Abend und eine unvergängliche Zeit.


Herzlich,

ani.actress

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