Hallo Sonnenschein
Heute möchte ich über die Menstruation schreiben. Warum? Weil es ein wichtiges Thema ist. Und zwar für jede und jeden Einzelnen, der mit einer menstruierenden Person in einer vertrauten Beziehung steht.
Ich selbst wusste bis vor Kurzem nicht wirklich viel über meine Periode. In der Schule lernten wir zwar alles über Verhütung, über den Einfluss von Drogen auf unseren Körper und auch darüber, wie unser Kind aufgrund der Genetik einmal aussehen könnte. Das Thema Menstruation wurde hingegen (zumindest behauptet meine Erinnerung es so) eher stiefmütterlich behandelt. Uns wurde lediglich erklärt, warum eine Monatsblutung entsteht. Wir mussten Östrogenkurven zeichnen und erkannten, dass einige Mädels nicht immer zum Sportunterricht erscheinen mussten.
Enge Bezugspersonen erklärten mir die Funktionsweise von Tampons und Binden und achteten dabei peinlich genau darauf, keine Einzelheiten aus ihren eigenen Erfahrungen zu teilen. Irgendwo schnappte ich auf, dass "Ökotussis" sogenannte Menstruationstassen benutzen. Klang für meine Ohren ein wenig eklig und unsauber.
Meine allererste Regelblutung bemerkte ich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt und auch später war sie nie wirklich willkommen. Ich nutzte grosse Tampons (ich nannte sie liebevoll Stöpsel), um stundenlang trocken zu sein, und überstand den ersten Tag der Periode meist nur dank einer Schmerztablette. Einschränken lassen wollte ich mich allerdings nie – die Werbung für diverse Produkte zeigt ja auch, dass dies nicht nötig ist.
Als ich älter wurde, wollte ich wissen, ob ich einen so natürlichen Prozess nicht auch ohne Schmerzmittel durchleben kann. Online fand ich die Theorie, dass die Schmerzen von der gestauten Blutung kommen. Lässt frau fliessen, geht sie schmerzfrei durchs Leben. Also verzichtete ich auf die Bequemlichkeit von Tampons und versuchte es mit Binden. Aber schon nach wenigen Stunden gab ich auf. Ich persönlich finde das Gefühl von Blut in der Hose (vergleichbar mit dem Gefühl eines Tropfen Urins, der sich nach einem Lachanfall gelöst hat, bloss stärker und permanent) unangenehm und keine Binde hielt das Versprechen eines Trockenheitsgefühls. Also griff ich zur nächstbesten Menstruationstasse aus dem Supermarkt. Schliesslich war ich über die Jahre selbst ein wenig zur Ökotussi geworden.
Ich hatte das Glück, dass die Tasse direkt passte und ich mit der Handhabung erstaunlich gut zurechtkam. Bald schon war es für mich das normalste der Welt, der Ekel war verschwunden und auch mein Partner hatte sich (gezwungenermassen) an den Anblick gewöhnt, wie ich die Tasse auskochte. Ich sparte Geld und Abfall, hatte aber nach wie vor Schmerzen. Nichts zu machen, glaubte ich, bis ich in einem Podcast davon hörte, dass es Frauen gibt, die einfach aufs WC gehen, um zu bluten.
Bitte, was? Wie soll das möglich sein? Mein Ehrgeiz war geweckt, ich schützte meine Unterwäsche mit Binden (waschbaren, weichen und abfallvermeidenden Stoffbinden) und liess mich auf das Experiment ein. Was soll ich sagen, es hat einen Moment gedauert (ich war ein erwachsenes Baby, das lernte, ohne Windeln klarzukommen), aber letztendlich hat es funktioniert. Jeden Monat kann ich meine Periode länger halten, bevor ich zur Toilette muss (anfangs waren es nur wenige Minuten und sobald ich den Drang verspürte, war es praktisch schon zu spät) und verrücktere Sportübungen machen, ohne dass was in die Binde geht. Und tatsächlich bin ich seit zwei Monaten komplett schmerzfrei. Alles, was ich dazu brauchte, war jemand der sagte: "Doch, natürlich ist das möglich, ist vergleichbar mit pinkeln, das kannst du ja auch kontrollieren."
Ich behaupte nicht, dass dies die Lösung für alle Menstruierenden ist, ich sage nur, dass es wichtig ist, alle Optionen (hier seien auch kurz die Menstruationsschwämme erwähnt) zu kennen und den Mut zu haben, auszuprobieren. Genauso wichtig ist es in meinen Augen, dass dieses Ausprobieren erlaubt, gefördert und unterstützt wird. Speziell von Intimpartnern, aber auch von Eltern, Geschwistern, engen Freunden. Und das bringt mich zu meinem zweiten Punkt: prä- und postmenstruelle Zustände.
Ich bin manchmal zickig. Manchmal hängt das nicht im Geringsten mit meiner Periode zusammen und manchmal hängt es sehr wohl mit meiner Periode zusammen. Was ich dann absolut nicht hören möchte ist ein provokatives "Kriegst du deine Tage?", begleitet von einem süffisanten Lächeln, oder ein "Ich glaube, sie hat wieder ihre zickige Phase!" hinter vorgehaltener Hand. Das verletzt, führt wie jede abschätzige Bemerkung zu einer Verteidigungshaltung und verstärkt die Zickerei eher noch. Ich vermute auch, dass niemand freiwillig und aus Spass weder blutet noch übermässig schnippisch wird, da wirken unsere Freunde, die Hormone.
Was hingegen hilft, ist Verständnis. Kein Behüten und In-Watte-Packen, sondern ein schlichtes Verstehen, was da passiert. Ich erkenne bei mir mittlerweile die Muster der prämenstruellen Phase. Ich bereite mich unbewusst auf eine ruhigere Zeit vor, kaputte Dinge in der Wohnung, provisorische Termine und unfertige Projekte sorgen für unangemessen viel Stress. Ich werde unfair und zickig, wenn sich eine Aufgabe abzeichnet, die sich nicht in kürzester Zeit abschliessen lässt. Zudem ist mein Geruchssinn stärker und ich werde zur Furie, wenn ein schweissiges T-Shirt herumliegt. Seit ich das weiss, kann ich viel gelassener damit umgehen und die Oberzicke schneller zügeln. Seit mein Freund das weiss, fühlt er sich weniger angegriffen und wir können besser kommunizieren, welche Bedürfnisse jeder von uns gerade hat.
Nach der Periode steigt mein Energielevel an und es folgen ein paar Tage, an denen ich Bäume ausreissen könnte und Dinge, die mir auffallen, sofort und quasi im Vorbeigehen erledige, ohne dass mein Zeitplan leidet. Hier ist es wichtig für mich, die Energie sinnvoll zu nutzen und gleichzeitig im Hinterkopf zu behalten, dass diese Zeit nicht unbedingt geeignet ist, um neue (kurzfristige) Ziele zu definieren. Es kommt der Tag, an dem ich wieder "normal" viel Energie habe. Das ist ein guter Tag. Ich war vorher eine Superheldin und bin jetzt wieder eine ganz tolle Frau. Im erwähnten Podcast wurde übrigens die These aufgestellt, dass wir an Superheldinnentagen mehr leisten als Männer, welche vielleicht konstanter gute Tage haben, und somit das Energietief, bzw. die Energieverschiebung auf körperliches Ausmisten und neu Einrichten, locker ausgleichen würden. Von daher können wir ruhig beide bzw. alle Phasen würdigen.
Gratulation an dich und danke dafür, dass du bis hierher dabeigeblieben bist und dich auf diesen Tabubruch eingelassen hast. Wenn du noch Energie hast und dich bestärkt fühlst, so sprich doch mal (vielleicht erst vorsichtig und fragend) mit deiner Freundin oder Schwester darüber, wie sie mit der Periode umgeht und wie du sie unterstützen oder einen wertschätzenden Umgang pflegen kannst. Hast du gerade keine Energie mehr, dann erlaube dir eine Pause, gönne dir einen Moment der Ruhe, einen wärmenden Tee oder einen süssen Apfel, den du bewusst kaust (das meine ich ernst – ganz unabhängig von deinem Geschlecht) und sei gewiss, die Energie kommt bald zurück.
Herzlich,
ani.actress
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