Hallo Sonnenschein
Wenn der Sommer zu Ende geht, beginne ich, mich auf meinen Geburtstag zu freuen. Ein Tag wie jeder andere, schon klar, aber so ganz wie jeder andere ist er eben doch nicht. Denn am Geburtstag – so wurde es uns beigebracht – darf man bestimmen. Jawohl.
Noch nie musste ich mich an diesem Tag vor irgendwelchen inneren Stimmen rechtfertigen, wenn ich ihn frei nach Lust und Laune gestalte und jedes noch so kleine Bedürfnis direkt erfülle. Praktisch und befreiend. Ich rechtfertige mich übrigens auch nicht vor anderen. Niemand kann mir diesen Tag mit irgendwelchen Ansprüchen verderben! Also abgesehen von Vorgesetzten natürlich, aber du weisst, was ich meine.
Wieso ist der Geburtstag immer an ein Datum gebunden? Ich zum Beispiel habe an einem Donnerstag das Licht der Welt erblickt, wie lustig wäre es, wenn ich mich jeden Donnerstag feiern dürfte. Wobei, wenn das alle machen würden, wäre es vermutlich auch wieder mühsam: Im Kinderzoo müssten die Seelöwen täglich Hunderte von Kindern begrüssen, die Bergbahnen hätten weniger zahlende Kunden als Gratisfahrten und beim Vorstellungsgespräch müssten wir zum Taschenrechner greifen, um unser Alter zu errechnen... Bleiben wir lieber beim Jahresrhythmus.
Mein Freund hat sich extra freigenommen. Einen ganzen Tag, nur für mich. Er ist einfach der Beste :D. Ich erlaube uns ein mittellanges Ausschlafen, zum Frühstück gibt es warme Gipfeli. Mein Telefon zeigt bereits unzählige Nachrichten und verpasste Anrufe an. Ich bin total überwältigt, wie viele Leute an mich gedacht haben (und danke auch denen, die freundlicherweise von ihrem Kalender oder der bekanntesten Plattform sozialer Medien an meinen Geburtstag erinnert wurden, und sich deshalb meldeten)! Noch nie zuvor haben mich so viele lieben Worte erreicht. Ich kann gar nicht alle Nachrichten sofort lesen.
Denn ein Spaziergang im Wald muss an diesem sonnigen Morgen unbedingt noch sein – und da bleibt das Handy schön zu Hause. Es ist absolut fantastisch. Kommt es mir nur so vor, oder singen besonders viele Vögel? Die Bäume rauschen sanft im Wind und das lebendige Spiel von Licht und Schatten erfreut das Auge. Genug geträumt, der nächste Programmpunkt steht an.
Ich möchte mich beim Trampolinspringen austoben. Als Belohnung soll es eine feine Crêpe geben, dann spielen wir zu Hause vielleicht noch ein Brettspiel oder lesen ein wenig und dann essen wir spontan bei Verwandten (die wissen noch nichts von meinen Plänen) zu Abend.
Doch es kommt anders. Unser Aufenthalt im Trampolinpark wird nach 25 Minuten hüpfen ziemlich abrupt beendet. Ich springe nämlich etwas unkonzentriert in die Höhe, kann mich nicht entscheiden, ob ich direkt aufs nächste Trampolin wechsle oder abbremse und nochmals auf dem gleichen federe, werfe mich dann doch nach vorne, komme mit dem Fuss auf der Matte auf, bleibe hängen, falle und das wars. Mein Knöchel nimmt sich dann mal sechs Wochen Urlaub.
Über mein Timing lachend, betrübt, froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist, betrübt, dankbar für meine grundsätzlich gegebene Gesundheit und die Schmerzfreiheit im Alltag und doch ein wenig betrübt überzeuge ich meinen unverletzten Fuss davon, mich ohne Unterstützung seines Kollegen zum Auto zu befördern. Auf halbem Weg (ich pausiere auf einer Bank und mein Freund holt Tiefkühlerbsen) höre ich, wie im Radio ein Song läuft, der dazu ermuntert, nicht aufzugeben. Er stammt von einer Kollegin von mir und ich höre ihn zum ersten Mal "live" im Radio – wie passend. Liebe N., ich wünsche dir weiterhin ganz viel Erfolg mit deiner Musik!
Wenn du jetzt denkst, der Geburtstagsnachmittag im Bett war ein trauriger Abschluss des Tages, dann kennst du mein Umfeld nicht. Meine Schwester kommt kurzerhand vorbei (nicht ohne vorher den Kühlschrank zu plündern und eine Auswahl an Zutaten einzupacken), wir improvisieren ein Abendessen und geniessen den entspannten Abend zu dritt. Von meinem missglückten Sprung kamen wir schnell auf wirklich wichtige Diskussionen: Do's and Don'ts auf Hochzeiten und Memes in Gruppenchats.
Ein wirklich toller Geburtstag also, ich kann nicht klagen. Aua!... Entschuldige, ich bin zu stark aufgetreten.
Herzlich,
ani.actress
Gute Besserung!