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Autorenbildatalanta.pferd

To Whom It May Concern

Hallo Sonnenschein


Kennst du das? Es gibt Situationen im Leben, die dir im Moment absolut unverständlich sind, wogegen es dir Jahre später wie Schuppen von den Augen fällt?


Als ich mich kürzlich mit dem Thema Lügen befasst habe, fiel mir ein für mich sehr schlimmes Erlebnis wieder ein. Als Kind hatte ich häufiger Dornwarzen an den Fusssohlen. Unser Hautarzt nutze eine sehr effiziente und lediglich bei der Behandlung für einen kurzen Moment schmerzhafte Methode, um sie zu entfernen.


Ich lag also mal wieder auf dem Behandlungstisch und hielt die Füsse still. Ich hatte viele Warzen und so dauerte die Prozedur seine Zeit. Ich weinte, schrie und versuchte, tapfer zu sein. "Nur noch drei", meinte der Arzt. Ich war erleichtert, beruhigte mich und zählte mit. Noch zwei, noch eine, geschaff..., huch noch eine, und eine weitere, und noch ein Schmerz durchzuckte mich. Erst dachte ich, er hätte ein(ig)e übersehen, bald schon wurde mir klar, es waren nie nur noch drei.


Ich war verunsichert, verstand nicht, was los war und liess mich beim nächsten Besuch aus Angst tatsächlich nicht behandeln. Im Nachhinein verstehe ich die Situation besser. Ich ging durch meine Emotionen, hatte Angst vor dem Schmerz, dem Kontrollverlust und ganz sicher keinen Spass an der ganzen Sache. Aber ich hatte ein Ventil. Ich befasste mich mit meinen Gefühlen, liess sie zu und weinte offen und laut. Für mich war die Situation OK.


Anders ging es den Erwachsenen. Der Arzt konnte meinen Ausbruch nicht (länger) ertragen. Mein starker Gefühlsausdruck löste bei ihm vermutlich Unbehagen aus, vielleicht bezog er das Weinen auch auf sich oder sah sich als Auslöser und Bösewicht, jedenfalls hielt er es nicht länger aus und entschied sich zu einer Aussage, die mich beruhigen würde. Er wollte mir vermutlich etwas Gutes tun. Es war menschliches Verhalten, hinterliess bei mir allerdings eine Narbe.


Als Resultat dieser und anderer Erfahrungen bringe ich heute eine Grundskepsis gegenüber Menschen (in Machtpositionen) mit. Ich verstehe, dass viel gesagt wird, um bestimmte Ziele zu erreichen. Das ist vollkommen menschlich, zeigt aber auch, dass auf Menschen und deren Aussagen nicht immer Verlass ist.


Ich möchte dich bitten, im Umgang mit Kindern besonders auf unangenehme Situationen zu achten. Kinder haben einen natürlichen und viel offeneren Umgang mit ihren Gefühlen (auch negativen) als erwachsene, von der Gesellschaft geformte Menschen. Ist eine für dich unangenehme Situation auch für das Kind unerträglich? Sollst du sie beenden oder braucht das Kind die Erfahrung und noch viel wichtiger: Ist es in seiner Emotion gefangen oder geht es auf eine gesunde Art durch sie hindurch?


Lehrpersonen und andere Fachleute wissen, wovon ich spreche. Es ist so schön zu sehen, wenn ein Kind durch eine Unsicherheit hindurchgeht (mental und körperlich), weil die Kindergartenlehrperson ihm versichert, dass es mehr kann, als es sich selbst zu diesem Zeitpunkt zutraut und die anschliessenden Überwindungsstrategien des Kindes zulässt.


Herzlich,

ani.actress

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