Hallo Sonnenschein
Die Frage kam auf, welches Spiel ich am liebsten mag. Ich muss zugeben, sie überfordert mich ein wenig ...
Vor ein paar Jahren hörte ich die Geschichte eines Mannes, der aufgrund einer Operation Einschränkungen in eben der Hirnregion hatte, welche für Gefühle zuständig ist. Als Folge davon konnte er kaum mehr funktionieren. Im Büro brauchte er Stunden, um zu entscheiden, ob er einen roten oder einen blauen Ordner nutzen sollte. Nach logischen, rationalen Argumenten allein war keine Farbe besser geeignet als die andere. Bald verlor er seine Arbeit, wurde von seiner Frau verlassen und immer mehr zum Einzelgänger. Ich weiss nicht, ob und inwiefern die Geschichte der Wahrheit entspricht, aber sie ist mir geblieben.
Ich würde behaupten, dass ich viel "auf meinen Bauch" höre, wenn ich Entscheidungen treffe. Natürlich erst recht, wenn es dabei um Favoriten geht. Nun entwickle ich gegenüber Spielen (erstaunlicherweise?) keine wirklich starken Gefühle und es fällt mir vielleicht deswegen nicht leicht ein Ranking zu erstellen. Trotzdem werde ich versuchen, einige Empfehlungen abzugeben.
Als Kind spielte ich oft und lange Computerspiele (ganz (also ganz, ganz, ganz) viele mit Pferden, aber auch "Zoo Tycoon" (Ich drückte immer "Pause", baute den ganzen Zoo fertig, und musste mehrfach zusehen, wie das Programm abstürzte, als ich nach getaner, mehrstündiger Arbeit wieder auf "Play" drückte. Das wollte ich aber nicht verstehen – schliesslich kann kein Mensch in Ruhe bauen, wenn ständig Zoobesucher über die Anlage marschieren ... und müde waren die immer! Einmal wurde ich so wütend darüber, dass ich dachte: "Dann bleib halt zu Hause! Man geht auch nicht müde in den Zoo, was soll ich denn da jetzt machen?" "Eine Parkbank wäre nett gewesen", klärte meine Mutter mich später auf, das war eine wahre Erleuchtung.), "SimCity" (Da waren immer wieder störende Ereignisse, Krisen und Katastrophen, was mir den Spass ein wenig nahm.), "Sims" oder Globi-Spiele (Bei diesen gab es anfangs so fiese Zeiteinstellungen – das Maximum lag bei 90 Minuten. Das Spiel stoppte automatisch nach Ablauf der eingestellten Zeit ...). An ein Spiel zum Thema Milch kann ich mich auch noch gut erinnern – unter anderem musste Kalzium an bösen Kariesmännchen vorbei nach oben zur Zahnkrone transportiert werden).
Später spielten wir vermehrt Gesellschaftsspiele. "Das Spiel des Lebens" war lange Favorit meiner Schwester und mir, ich mochte auch "Das verrückte Labyrinth" und trat im Schach (praktisch immer erfolglos) gegen meinen Opa an. Die lustigsten Abende waren begleitet von "Bohnanza" und "6 nimmt". Heute mag ich auch die folgenden Spiele ganz gerne:
Colt Express
Mein bisheriges Lieblingsspiel aus der Ludothek. Einerseits überzeugt der "Spielplan" an sich (eine dreidimensionale Dampflokomotive, welche vor einige Waggons gehängt wird), andererseits gefällt mir der Spielablauf dieses Strategiespieles. Alle Spieler*innen versuchen gleichzeitig, den Zug zu überfallen und am Ende als reichste Ganov*innen aus dem Spiel zu gehen. Ein nicht vorhergesehener Spielzug eines Gegners bzw. einer Gegnerin allein reicht, um die eigenen Pläne komplett zu durchkreuzen. Obwohl ich das Spiel erst einmal spielen konnte, bin ich bereits jetzt überzeugt, dass "Colt Express" 2015 verdient den Kritikerpreis "Spiel des Jahres" gewonnen hat.
EXIT – Das Spiel
Auch diese Reihe von Spielen wurde bereits ausgezeichnet. Das Konzept basiert auf den beliebten "Escape Rooms", also Räumen, in die man in einer Gruppe spasseshalber eingeschlossen wird, und aus denen man sich nur selbst befreien kann, wenn vor Ablauf der Zeit alle im Raum befindlichen Rätsel gelöst werden. Ähnlich wie in den Räumen ist es auch bei den Spielen so, dass sie nur einmal gespielt werden können. Danach kennt man der Rätsel Lösungen und meistens ist auch das Spielmaterial verbogen, beschrieben oder zerschnitten. Ökologisch sinnvoll: nein. Gute Geschäftsstrategie: ja.
Bisher haben mir alle "EXIT"-Spiele Spass gemacht, dennoch muss ich sagen, dass ich von der Idee (wie übrigens auch von den meisten quizzartigen Spielen bereits nach kurzer Zeit – "Smart 10", besser bekannt als "Töggeli lupfe" – siehe The Couple Gameshow – ausgenommen) schon etwas gelangweilt bin.
Darwin's Choice
"Darwin's Choice" ist ein Spiel, wofür man sehr viel Platz benötigt. Für die Anleitung braucht man ausserdem viel Geduld. Bei mir waren einige Anläufe nötig, bis ich verstanden habe, worum es beim "Evolutionsspili", wie ich es mittlerweile liebevoll nenne, wirklich geht. Zwar bin ich nach wie vor entrüstet darüber, dass einige der aus einzelnen Körperteilen gebastelten Tierarten aussterben, allerdings überwiegt unterdessen der Reiz, eine so robuste Kreatur zu schaffen, dass sie allen potenziell wechselnden Anforderungen gewachsen ist und sich nicht mehr unterkriegen (in diesem Fall das Futter wegnehmen) lässt.
Nach ein paar Runden Tiere kreieren, mutieren, umsiedeln und Punkte sammeln ist dann – zumindest in meiner Welt – immer auch für den Menschen Futterpause angesagt.
Pandemic
Mein liebstes Teamspiel heisst "Pandemic". Alle Spieler*innen werden hier zu Mitspieler*innen und versuchen gemeinsam, die Welt zu retten. Mithilfe von speziellen Fähigkeiten der einzelnen Charaktere und einer grossen Portion Strategie gilt es zu verhindern, dass zu viele Seuchenausbrüche stattfinden, eine Seuche sich zu stark ausbreitet oder die Zeit abläuft – also zu viele Menschen sterben – und kein Heilmittel mehr gefunden werden kann. Schnell entwickeln sich Dynamiken im Team, Diskussionen werden geführt und Lieblingscharaktere kristallisieren sich heraus. Eine absolute Empfehlung für zwei bis vier Spieler*innen (oder auch Teams) ab zwölf Jahren!
Jass
Der Schweizer Klassiker steht auch an der Spitze meiner Liste. Es geht doch nichts über einen Schieber in ausgelassener Runde. Den Differenzler kann ich zwar nicht, beim einfachen Schieber oder einem Coiffeur-Jass bin ich aber jederzeit dabei. Schon als Jugendliche haben meine Schwester und ich in unzähligen Partien versucht, unsere Eltern zu besiegen. Heute spielen mein Freund und ich gegen befreundete Pärchen oder nehmen an regelmässigen, von der Kirche organisierten, Jassnachmittagen teil. Zudem üben wir uns hin und wieder im "Cinq Cents" – einer Form, die sich zu zweit spielen lässt. Und auch online klopfe ich ab und zu einen Jass. Besonders, wem die Regeln noch nicht ganz klar sind, empfehle ich ein Spiel am Computer. Dieser hält die Karten schön sortiert und verhindert unerlaubte Züge. Viel mehr Spass macht der Jass aber definitiv in guter Gesellschaft, zum Beispiel in der Stammbeiz auf dem klassischen grünen Teppich und mit Schiefertafel. Guet Jass!
Siehst du, jetzt ergeht es mir ähnlich wie dem Mann aus der Geschichte: Ich weiss nicht, was ich editieren soll ... So bleibt der Blogartikel trotz anfänglichen Schwierigkeiten einer der längsten. Ich hoffe, du kannst dir ein wenig Inspiration mitnehmen, probierst das ein oder andere neue Spiel aus und erachtest die Frage nach meinem Lieblingsspiel als einigermassen beantwortet.
Herzlich,
ani.actress
Da kann ich nur fragen:
Wann kommt die nächste Couple Gameshow?
Und Guet Jass!
Sorry dass ich Dir eine so schwere Aufgabe erteilt habe, aber Danke für die umfangreichen Zeilen. Einen Treffer hat es im Vergleich zu meinen Lieblingsspielen 😉