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Wie kann ich Ihnen helfen?

Aktualisiert: 26. Juli 2020

Hallo Sonnenschein


Du kennst bestimmt den Moment, wenn dir bewusst wird: Okay, jetzt brauche ich Hilfe. Ich komme nicht umhin, mich an eine Firma zu wenden und eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Einen solchen Moment durfte ich letzte Woche erleben. Während ich mich mental auf das Telefonat vorbereitete, sicherstellte, dass am Nachmittag keine Termine mehr anstehen, meinen rechten Arm aufwärmte, um für stundenlanges Hochhalten des Hörers gewappnet zu sein und nach seriös klingenden und leicht einschüchternden Formulierungen suchte (Können Sie mir nochmals erklären, wieso dieses Vorgehen aus Ihrer Sicht rechtskräftig sein soll? etc.), kam ich ins Grübeln...


In meinem Freundeskreis lösen Worte wie "Kundendienst", "Beratung" und "Hotline" eine ganz bestimmte Reaktion aus. Auf ein entsetztes "Oh!" folgt ein erwartungsvoller Blick und ein Lächeln, das die Vorfreude auf die kommende Geschichte verrät (oder ist es doch gar Schadenfreude?). "Helpdesk" führt zusätzlich noch zu einem Augenrollen. Aber warum ist das so? Abwesend tippte ich die Nummer ein.


Das Wort "Dienstleistung" stand erstmals 1941 im Rechtschreibduden. Neben der neutralen Serviceleistung wird eine zweite Bedeutung erwähnt: ein Dienst, den jemand freiwillig leistet oder zu dem jemand verpflichtet ist. Dazu dann die Synonyme Assistenz, Einsatz, Hilfestellung, Mitarbeit, Mithilfe, Unterstützung und sogar Liebesdienst. Ein durchaus positiver Ursprung also. Wie kam es zu einer so negativen Erwartungshaltung? Mein Herz stand kurz still als die Warteschlaufenmusik stoppte, bloss um gleich im nächsten Moment wieder von vorne zu beginnen. Falscher Alarm.


Gibt es tatsächlich so viele ungeschulte Kundendienstmitarbeitende? Oder sind sie einfach nur frustriert? Unterbezahlt? Gelangweilt? Und die Frage aller Fragen: Gibt es wirklich Menschen, die eine Hotline anrufen, ohne vorher ihr Gerät aus- und wieder eingeschaltet zu haben? Wie ist es in den Geschäften? Warum begegne ich nur zwei Typen von Angestellten: dem Aufdringlichen und dem vor Kunden Flüchtenden?


Ich war immer gerne Dienstleister. Manchmal wünsche ich mir, ich hätte wieder eine Uniform, oder zumindest ein Namensschild und könnte irgendjemandem weiterhelfen. Mir eine Expertise in einem gewissen Bereich aneignen und dann kompetent Auskunft geben. Aktiv helfen und dafür Dankbarkeit spüren (oder sich über Undankbarkeit ärgern). Das ist doch eine erfüllende Arbeit? Eine menschliche Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Erstaunt blickte ich auf die Uhr: nur eine Stunde Wartezeit? Nicht schlecht! Es kam noch dicker: Die Dame half mir tatsächlich weiter und wir konnten mein Problem sogar lösen. Kein Weiterleiten, kein Abklären, kein Rückruf und kein: "Dafür müssten Sie erst..." Vielleicht war meine negative Erwartungshaltung ja ganz gut, sie verhalf mir schliesslich zu einer überaus positiven Erfahrung.


In einer utopischen Welt würden wir alle nach Kompetenz streben, statt nach Geld und Ruhm. Wir würden Wissen und Können belohnen, statt Bemühungen zu beurteilen. Wir würden uns gegenseitig unterstützen und gerne um Hilfe bitten. Und Dienstleister wären wieder Menschen, die Einsatz zeigen und gerne assistieren. Aber das wäre ja auch langweilig. Woher hätten wir dann all unsere schönen Geschichten?


Herzlich,

ani.actress

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